Heisser Draht nach Paradiso
war dort Licht zwischen den Häusern.
Vor dem erleuchteten
Hintergrund sah Tim die Gestalten.
Drei.
Sie schleppten Koffer, wollten
offenbar zum Bahnhof. Zwei trugen breitkrempige Hüte — vermutlich aus Stroh,
was ja unter südlicher Sonne vor Sonnenstich bewahrt und manchmal auch chic
aussieht.
Ohne Hast verschwanden die drei
Männer um die Ecke. Ein lautes Lachen drang durch das Gäßchen. Vorfreude auf
die Ferienreise war sicherlich der Grund.
Tim knabberte an der Unterlippe
und nahm den Blick etwas kürzer. Dort im Dunkeln — war da ein Seiteneingang?
„Die Bank hat einen
Seiteneingang“, meinte er und rollte darauf zu.
Seine Freunde folgten.
Verwundert betrachtete Tim die Gittertür. Sie führte auf einen Hof und stand so
weit offen, daß ein Klavier durchpaßte, ohne anzuecken.
„Männer!“ sagte Klößchen
verblüfft. „Die Tür steht offen. Und das bei ‘ner Bank!“
„Ein ziemlich großes Risiko“,
nickte Karl. „Ich meine, wenn eine Oma, die Gespenster hört, im selben Haus
wohnt. Wer so schusselig ist, vergißt auch, das Haus abzuschließen. Aber das
allein ist noch kein Unglück. Einen Kaugummi in den Flur spucken und den Tresor
ausrauben — das sind zwei paar Hüte.“
Tims Zähne ließen die
Unterlippe los. Er fühlte eine seltsame Spannung. Dann verknüpften sich zwei
Gedanken, und der TKKG-Häuptling preschte los mit dem Rennrad — die Gasse
hinunter zu dem erleuchteten Platz.
Er war nicht groß. Ein
plätschernder Brunnen. Alte Häuser ringsum. Ein paar Gäßchen zweigten ab.
Die drei Kofferträger waren
nicht mehr zu sehen.
Tim horchte.
Der Brunnen plätscherte,
gluckerte wie in einer romantischen Stadt zur Zeit des Mittelalters. Irgendwo hinter
Mauern bellte ein Hund. Weitab eine Polizeisirene. Sonst nichts. Kein Lachen
der Kofferträger.
Tim nahm sich die Sträßchen
vor, eine nach der andern, folgte jeder ein Stück. Null Erfolg.
Vielleicht war’s umgekehrt: Die
drei wollten nicht reisen, sondern kamen zurück, wohnten hier irgendwo und
waren hinter einer Haustür verschwunden.
Er kehrte zu seinen Freunden
zurück.
„Was war denn?“ fragte Karl.
„Hast du jemanden gesehen?“
„Drei Typen mit Koffern. Ich
dachte... War so eine Idee. Sie sind weg. Schauen wir doch mal, ob hier alles
stimmt.“
Sie parkten ihre Tretmühlen an
der Hofmauer. Tim schob sich durch den Türspalt.
Asphaltierter Boden. Ein
Innenhof. Dort der Eingang ins Haus. Ein erleuchteter Lichtknopf. Über der Tür
eine Lampe.
Tim drückte auf den Knopf. Die
Lampe strahlte auf.
Die Jungs blinzelten, weil die
Helligkeit blendete im ersten Moment. Dann sah der TKKG-Häuptling: Die Tür
lehnte nur am Rahmen. Splitter hingen rund um das Schloß. Sie war aufgebrochen.
Klößchen gluckste verblüfft.
„Du meine Güte!“ flüsterte
Karl. „Einbruch! Ob die Typen noch drin sind?“
„Vielleicht sind ‘s die drei
gewesen“, sagte Tim.
Er öffnete die Tür.
Auch im Flur brannte Licht, war
automatisch angeknipst worden durch den Knopf draußen.
Tim horchte. Trat dann ein,
schlich in Richtung Treppe und entdeckte die — ebenfalls aufgebrochene — Tür
zum Schalterraum.
Eine Weile standen die Jungs in
der Bankhalle, horchten und konnten nichts ausmachen.
Tim fand den Lichtschalter, und
Neonlicht zuckte auf überall.
„Alles sieht ordentlich aus“,
stellte Karl fest. „Kein Schreibtisch ist aufgebrochen, kein Schrank. Aber daß
hier Einbrecher waren, ist klar, wie?“
Tim deutete zur anderen Seite.
Dort, jenseits der Kassenbox, führte eine kunstschmiedeeisen-geländerte Treppe
hinunter ins Kellergeschoß, wo sicherlich die interessantesten Räume des
Geldinstituts waren: sozusagen die Schatzkammern voller Banknoten, Gold — als
Barren und Münzen — sowie gehortete Wertpapiere.
Und die Schließfächer, dachte
Tim. Die sind auch meistens unten.
Zu dritt stiegen sie hinunter.
Mehr staunend als entsetzt
blickten sie in den Raum mit den Schließfächern. Die Stahltür — mit dem
offenbar unüberwindlichen Schloß — war gesprengt worden. Zerfetzt hing nur noch
ein Teil in den Angeln. Die Luft roch nach heißem Metall.
„Das war die Explosion“, sagte
Tim, „die Pauline Angermann gehört hat. Armer Knotinger. Ich möchte nicht in
seiner Haut stecken. Wir...“
Erschrocken hielt er inne. Denn
Gaby — es war eindeutig ihre Stimme — rief dazwischen.
„Tim, bist du’s? Tim! Tiiiiim!“
Die Jungs standen wie
versteinert. Tims Herz schlug Purzelbäume. Gott sei Dank! dachte
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