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Heißer Schlaf

Heißer Schlaf

Titel: Heißer Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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wachte am nächsten Morgen ganz verzweifelt auf. Denn irgendwann in der Nacht war er aufgewacht, nachdem er von der Gegend geträumt hatte, in der er gewesen war. Der Traum war ihm wie die Wirklichkeit vorgekommen. Er hatte die Früchte wieder geschmeckt und war in der Bucht geschwommen und hatte aus dem kalten Fluß getrunken und im dichten Gras am Ufer gelegen. Er hatte gespürt, wie der Regen fiel und warm und frisch seine Haut traf und den Staub von ihm wusch.
    Und er hatte sich gefragt, ob es auch vorher nur ein Traum gewesen war.
    Und, da er schon einmal zweifelte, wußte er, daß es nur ein Traum gewesen war. Er schloß die Augen und versuchte, die Gegend wieder vor sich entstehen zu lassen. Er versuchte, sich den Geschmack der Früchte vorzustellen. Aber er schmeckte nur den Staub, der ständig in der Luft hing; und alles, was er sah, wenn er die Augen schloß, war rot.
    Deshalb sprach er wochenlang nicht mehr darüber.
    Es war Regenzeit.
    Der Regen kam nicht.
    »Macht euch keine Sorgen«, sagte Stipock. »Diese Dinge verschieben sich manchmal um zwei bis drei Wochen.«
    Nach sechs Wochen hatte es immer noch nicht geregnet; aber der Wind hatte pünktlich eingesetzt. Im letzten Jahr war der Wind erfrischend gewesen, wenn er auch das feuchte Land ausgetrocknet hatte (während dieser kurzen Regenzeit mit dem anschließenden Wind war es in der Kolonie erträglich gewesen); in diesem Jahr war der Wind heiß und trocken, der Atem des Todes, und nachdem einem vier Tage lang der Staub in Ohren und Augen, in Mund und Nase geweht war, nachdem der Wind die Haut der Leute verbrannt hatte, die sich ins Freie wagten, nachdem jedes Faß Wasser und jede Zisterne ausgetrocknet waren, nachdem jeder Graben mit Staub gefüllt und die Blätter von den Bäumen gerissen waren, nach vier Tagen solchen Unheils starb einer von Serrets und Rebos jüngeren Zwillingen. Während einer kurzen Windstille begruben sie ihn vor der Tür im Sand.
    Am nächsten Morgen war die verdorrte Leiche des Kindes freigelegt, und die Haut lag in Fetzen über den Knochen. In einer grausamen Laune hatte der Wind das Baby hochgeschleudert, und es versperrte jetzt die Tür zum Haus seiner Eltern. Serret fluchte, als er an jenem Morgen die Tür öffnen wollte – er kreischte und weinte laut, als er sah, wodurch sie blockiert war.
    Zur Mittagszeit verbrannten sie die Leiche. Der Wind blies immer wieder das Feuer aus.
    Während der nächsten zwei Tage starben zwei weitere Babys, und Wevin, Weerits Frau, starb, als ihr Baby vier Monate zu früh kommen wollte.
    Sie konnten die Leichen weder verbrennen noch begraben, und so trugen sie sie in den Sand hinaus und ließen sie dort liegen, denn sie wußten, daß die Wüste sie mit Sicherheit austrocknen würde.
    An diesem Abend hüllte Billin sich in seinen letzten Mantel und kroch gegen den Wind zu Serrets und Rebos Haus hinüber. Als er dort war, erzählte er ihnen, wie das Wasser geschmeckt hatte in dem Land, in dem er gewesen war. Aber er wußte, daß sie ihn deshalb haßten, denn sie hielten ihn für verrückt, und das machte alles noch schlimmer.
    Und in den schrecklichen drei Wochen, in denen der Wind noch wehte, ließ er hin und wieder ein Wort fallen. »Früchte«, sagte er, »die an den Bäumen wachsen. Saftig und süß.« Und alle, denen er das sagte, wandten sich stirnrunzelnd von ihm ab.
    »Süßwasser in einem breiten, kühlen Fluß.« Und derjenige, dem er das sagte, leckte sich die Lippen und sagte dann: »Behalte deine Verrücktheiten für dich, verdammt.«
    »Regen«, sagte er, und ein Kind in der Nähe sagte: »Was ist Regen, Mama?« Und die Mutter weinte und verfluchte Billin für seine Grausamkeit.
    Und Billin verfluchte sich selbst, denn er wußte nicht, ob er verrückt war. Denn jetzt, da er selbst an dem, was er gesehen hatte, zweifelte, wußte er nicht, warum er immer wieder darüber redete, warum er jeden Morgen und jede Nacht und in den Stunden dazwischen dauernd die Früchte vor Augen hatte, Büsche, die eher rot als grün waren, und Wasser.
    »Bin ich verrückt?« fragte er Cirith.
    »Hoffnungslos«, antwortete sie und küßte ihn. Aber er wußte nicht, ob sie nur scherzte; am Ende war er sicher, daß sie meinte, was sie sagte.
    Und dann legte sich der Wind. Eines Morgens, als alle erwachten, war es plötzlich still und sehr heiß (schon vor Sonnenaufgang), und kein Wind drang durch die Fugen im Holz.
    Sie zogen ihre zerlumpte Kleidung an und gingen nach draußen um nachzusehen. Der Himmel

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