Heißer Sommer auf Skiapolis
abzog. Die Gäste aus London kamen ihr ungelegen, und sie würde alles tun, um ihnen den Aufenthalt auf Skiapolis zu verleiden.
Die Aussicht war wenig geeignet, Paige erholsame Nachtruhe zu schenken. Erst gegen Morgen fiel sie in unruhigen Schlaf, aus dem sie beim ersten Licht wieder aufschreckte. Sie duschte, räumte ihr Zimmer auf und setzte sich an den kleinen Schreibtisch, um einen kurzen Brief an Tante Ingrid zu schreiben. Es fiel ihr schwer, die richtigen Worte zu finden. Da sie nichts Persönliches schreiben wollte, beschränkte sie sich auf die nüchternen Fakten und beschrieb nur die Reise. Von Nikolas und Ariadne erzählte sie nichts.
Es war gerade erst sieben Uhr, als sie auf den Balkon hinaustrat, um einen ersten Blick auf die Umgebung zu werfen. Sie erkannte alles wieder _ den kleinen Hafen Agios Petros an der Westseite der Insel, die bewaldeten Hänge unterhalb der Villa und den Strand mit den Klippen, in deren Schutz die Anlegebrücke lag, an der ein kleines Beiboot sie und ihren Vater vor vier Jahren abgesetzt hatte. Während der kurzen Fahrt von der Yacht zur Brücke hatte sie Gelegenheit gehabt, die Villa zu bestaunen, die wie ein kleines Schloss auf der hohen Steilküste thronte.
Paige wollte keine Erinnerungen aufkommen lassen und konzentrierte sich auf den kleinen Hafenort mit den weiß getünchten Häusern, den steilen Straßen und der großen Kuppelkirche. Die Flügel einer Windmühle drehten sich in dem sanften Morgenwind, der vom Meer herüberwehte, und über allem lag das klare, zartblaue Licht der Ägäis. Eine schönere Szenerie ließ sich nicht denken, und Paige schwor sich, jedem Einschüchterungsversuch von Nikolas oder Ariadne zu widerstehen. Sie war hier, weil sie eine bezahlte Stellung angenommen hatte, und sie würde diese Stellung behaupten, so groß die Hindernisse auch sein mochten.
Paige kehrte in ihr Schlafzimmer zurück. Die Arbeit war ihr Schutz, und es war besser, gleich damit zu beginnen. Hier oben würde sie nur ins Träumen geraten und das geringe Selbstvertrauen, das ihr geblieben war, auch noch verlieren.
Sie hatte lange überlegt, was sie an diesem ersten Morgen anziehen sollte, und sich schließlich für normale Ferienkleidung entschieden. Das gelbe T-Shirt und die gelben Shorts würden Ariadne wahrscheinlich missfallen, aber Paige wollte rechtzeitig die Weichen stellen.
Sie musste so anfangen, wie sie weitermachen wollte. Wenn Nikolas eine andere Kleiderordnung im Sinn hatte, sollte er es sagen. Bis dahin würde sie ihren eigenen Vorstellungen folgen.
Sie öffnete die Tür und trat leise auf den Flur hinaus. Da sie weiße Sportschuhe trug, waren ihre Schritte auf dem polierten Boden kaum zu hören. Es kam ihr etwas gemein vor, sich an Sophies Tür vorbeizuschleichen, aber ihre Schwester war eine Langschläferin und ließ sich ungern wecken.
Das Hausmädchen, das gestern Abend beim Dinner serviert hatte, war bereits mit Staubwischen beschäftigt.
"Kaliméra, kiría", begrüßte sie Paige und lächelte.
Paige antwortete automatisch, ohne lange über die griechischen Worte nachzudenken. Sie nahm sich vor, ihr Griechisch während des Inselaufenthalts gründlich aufzupolieren.
Vielleicht konnte es ihr irgendwann von Nutzen sein.
Was das Hausmädchen wohl über die gestrige Dinnerrunde gedacht hatte? Das "intime"
Esszimmer, wie Nikolas es genannt hatte, war Paige keineswegs intim vorgekommen, es sei denn, man maß es an den anderen Räumen des Hauses. Der längliche Ahorntisch und die sechs mit Silberbrokat bezogenen Stühle füllten den mindestens zehn mal zehn Meter messenden Raum kaum aus. Paige war sich wie auf der Bühne vorgekommen, wozu das lastende Schweigen, das nach Nikolas' Verschwinden eingetreten war, noch beigetragen hatte.
War der Anruf bestellt gewesen? Hatte Nikolas sie mit Ariadne absichtlich allein gelassen, damit sie ihre Streitigkeiten schlichten konnten? Dann hatte er sich gründlich verrechnet, denn Ariadne überhörte alle Fragen, die an sie gerichtet wurden, und belebte sich nur, wenn sie dem Personal Anweisungen geben konnte. Sie wollte für die Frau des Hauses gehalten werden _ genau wie Sophie gesagt hatte.
Es war Paige schwer gefallen, sich wie ein Schulmädchen behandeln zu lassen, aber am ersten Abend hatte sie nicht mehr genug Kraft gehabt, um sich zu verteidigen. Jede schärfere Bemerkung wäre ein Anlass zum Streit gewesen, und das hatte sie um jeden Preis vermeiden wollen.
Paige erreichte den Fuß der Treppe und sah sich
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