Heißer Sommer auf Skiapolis
trostlose innere Leere. "Vermutlich hast du nicht damit gerechnet, dass Ariadne dein Vertrauen missbrauchen würde. Du solltest sie besser kennen. Es war ihr eine große Genugtuung, mich zu demütigen."
"Jetzt übertreibst du."
"Wirklich?" Paige sah ihn traurig an und wandte sich zum Gehen. "Dann bleibt nichts, als abermals festzustellen, dass wir unterschiedlicher Meinung sind. Und jetzt entschuldige mich bitte. Ich möchte diese nassen Sachen ausziehen."
Paige hatte erwartet, am nächsten Morgen mit Kopfschmerzen oder einer Erkältung aufzuwachen. Unbewusst hatte sie es vielleicht sogar gehofft, denn dann hätte sie in ihrem Zimmer bleiben können, und es wäre ihr erspart geblieben, Nikolas oder Ariadne zu begegnen. Doch der Abend war entweder zu warm gewesen, oder sie besaß mehr Widerstandskraft, als sie gedacht hatte. Sie konnte beim besten Willen keine ungewöhnlichen Symptome an sich feststellen.
Es sei denn, man bezeichnet eine nagende innere Unruhe als ungewöhnliches Symptom, dachte sie sarkastisch. Oder eine fatale Neigung zu Herzklopfen und Erröten. Du leidest seelisch, Paige. Körperlich bist du völlig gesund.
Nachträglich stellte sich die Angst, Nikolas zu begegnen, als überflüssig heraus. Er ging Paige ebenso aus dem Weg wie sie ihm. Einmal sah sie ihn mit Yanis durch den Garten gehen, aber sonst blieb er in seinem Arbeitszimmer und ließ sich auch die Mahlzeiten dort servieren.
Ob sich Nikolas zwischendurch auch seinem Mündel widmete, konnte Paige nur vermuten. Ariadne verschwand wiederholt für längere Zeit, und wenn sie - von wo auch immer - wieder auftauchte, wirkte sie jedes Mal äußerst zufrieden. Falls Nikolas sie wegen ihrer Indiskretion gescholten hatte, war sie rasch darüber hinweggekommen.
Im Ganzen verlief der Tag, als wäre der Hausherr in Athen und nicht auf der Insel. Paige bemühte sich weiter um ein besseres Verhältnis zu Ariadne. Sie hegte immer noch geheime Vorbehalte gegen das Mädchen, aber es war ihr gelungen, einen erträglichen Umgangston zwischen ihnen herzustellen, der ihre Aufgabe wesentlich erleichterte.
Für ein Bad im Meer ließ sich Ariadne weiterhin nicht gewinnen, aber den Swimmingpool verschmähte sie nicht mehr so wie früher. Sie spielte jeden Vormittag einige Stunden Tennis, und obwohl sie sich dabei nicht umbrachte, nahm ihr Gesicht allmählich etwas Farbe an. Das leichte Aerobicprogramm, das Paige entwickelt hatte, trug ebenfalls dazu bei, Ariadnes körperlichen Zustand zu verbessern.
Alles in allem war Paige mit ihrem Erfolg zufrieden, und ohne Nikolas' Anwesenheit hätte sie sich leidlich wohl gefühlt. Sogar Sophie schien sich mit dem einsamen Inselleben abgefunden zu haben, was einem kleinen Wunder gleichkam. Die gefährlichen Einflüsse, denen sie in London ausgesetzt gewesen war, reichten nicht bis hierher, und obwohl sie weiterhin nicht am Dinner teilnahm, verlor sie kein Gewicht.
Paige zweifelte nicht mehr daran, dass es richtig gewesen war, Sophie mitzunehmen, bis sie - etwa eine Woche nach Nikolas' Rückkehr auf die Insel - ihr Geheimnis entdeckte.
Kapitel 11
An dem Abend, an dem Paige ihrer Schwester auf die Schliche kam, hatte sie allein gegessen.
Weder Nikolas noch Ariadne, noch Yanis hatten ihr Gesellschaft geleistet, vielleicht ohne besonderen Grund, vielleicht auch, weil sie bei Freunden eingeladen waren.
Paige gab es nur ungern zu, aber sie sehnte sich nach Gesellschaft. Sie klopfte an Sophies Tür und trat ein, als sich niemand meldete. Wahrscheinlich saß Sophie auf dem Balkon und hatte sie nicht gehört. Doch das Zimmer war leer, und auch der Balkon schien nicht benutzt worden zu sein.
Paige ging wieder nach draußen und sah den Korridor hinunter. Die Lampen brannten schon und warfen ihren matten Schimmer auf geschnitzte Konsolen, edelsteinbesetzte Vasen, kostbare Ölbilder und lange Vorhänge, die vom Luftzug der Klimaanlage sacht bewegt wurden. Von Sophie war nichts zu sehen.
Paige ging in ihr eigenes Zimmer und zwang sich, in Ruhe nachzudenken. Irgendwo musste Sophie sein. Ob sie einen Spaziergang machte? Paige hatte das bei anderer Gelegenheit ebenfalls getan, aber daran wollte sie jetzt nicht denken. Auch nicht daran, dass Sophie nichts von einsamen Spaziergängen hielt.
War sie vielleicht nicht allein unterwegs? Traf sie sich heimlich außerhalb des Hauses?
Das hätte erklärt, warum sie nie zum Dinner erschien. Gab es auf der Insel einen Dealer?
Hatte Sophie jemanden gefunden, der sie mit Drogen
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