Heißer Winter in Texas
gibt‹s einigen Streit, seit versucht
wird, diese Typen aufzuhalten.«
»Ja, ich hab‹ auch davon gehört. Sie gewinnen nur
drei Prozent von diesem Gas. 97 Prozent Verlust sind
ziemlich viel. Ich finde, alle Idioten, die so
verschwenderisch mit Naturressourcen umgehen,
gehören an den Daumen aufgehängt und solange
ausgepeitscht, bis sie sich vollpissen«, kommentierte
ich.»Wie auch immer«, seufzte er, um zu verhindern, daß
ich in eine meiner berüchtigten Schimpfkanonaden
81
verfiel, »jedenfalls hab‹ ich seither nichts mehr von
Tully gehört. Warum fragst du?«
Ich erzählte ihm kurz von dem Einbruch, und daß Joe
nur wenige Stunden später um die Ecke gebracht
worden war.
»Wieso hast du nach dem Einbruch nicht die Polizei
gerufen?« forschte er.
»Also komm schon, Bill«, sagte ich erstaunt, »wie
kannst du so eine blöde Frage stellen? Du weißt so gut
wie ich, was passiert, wenn du die Schergen wegen
eines Einbruchs holst: In neun von zehn Fällen nehmen
sie alles mit, was die Einbrecher dagelassen haben.«
»Das ist allerdings nur zu wahr.« Er kicherte
zustimmend. »Dieser Tully, von dem du erzählt hast.
Das ist ein zäher Typ. Vor zwanzig oder dreißig Jahren
haben sie ihm in einem Bordell in Matamoros fast die
Kehle durchgeschnitten, seither quakt er wie ein Frosch.
Manche nennen ihn die Kröte. Er ist nicht einfach ein
mieser Charakter, er ist einfach das Letzte.«
»Du weißt wohl nicht zufällig, wo er sich rumtreibt,
wenn er in der Stadt ist?« fragte ich in der Gewißheit,
daß er alles wußte.
»Du könntest mal im Club der amerikanischen
Gewerkschaften vorbeischauen, im Haus der Republik
… vielleicht im Dominozimmer«, sagte er beiläufig.
82
Vermutlich hätte er mir auch sagen können, was für
eine Farbe Tullys Krawatte haben würde. Aber ich war
ziemlich sicher, daß ich das nun allein herausfinden
konnte. »Danke, Bill, Schätze, ich werd‹ mal da
vorbeistiefeln und nach dem Rechten sehen«, damit
stand ich auf.
»Du setzt dich erstmal wieder auf deinen Hintern«,
sagte er streng. »Hollis, du weißt, daß du für mich
beinahe wie eine Tochter bist, und ich will nicht, daß dir
etwas passiert. Ich halte es für das Beste, wenn du die
ganze Geschichte vergißt.«
»Ach, Bill, ich kann doch selbst auf mich aufpassen«,
stöhnte ich. »Übrigens, du hast nicht zufällig von diesen
Gewehren gehört, die aus dem Polizeipräsidium
verschwunden sind?«
»Doch, da war sowas. Weißt du, wer sie hat?« fragte
er.»Mist, ich dachte, du hast sie«, lachte ich. »Das
Thema taucht immer wieder auf, und ich dachte, du
weißt vielleicht etwas.«
»Ich habe nicht die leiseste Ahnung«, protestierte er,
ganz Unschuldslamm, und hielt mir seine leeren Hände
entgegen. »Ich nehme an, sie haben sie aus dem Land
geschafft.«
»Ach, Bill, komm schon. Du weißt so gut wie ich, daß
irgendeine undurchsichtige Gestalt sie in irgendeinem
83
Lagerhaus versteckt hält – entweder hier oder in
Galveston. Und was all diese Senatsanhörungen angeht,
die momentan in Washington laufen und in denen
untersucht werden soll, woher die Verbrecher ihre
Waffen haben – zur Hölle, die Polizei sorgt schon dafür,
daß sie unters Volk kommen.«
Wir lachten beide, und ich machte mich auf den Weg.
Ich stieg in mein Auto und öffnete erstmal den obersten
Knopf meiner Hose, damit ich nach diesem Mahl
bequem atmen konnte. Als ich wegfuhr, sah ich Bills
neuen Cadillac vor seiner Garage stehen. Auf der
Kühlerhaube prangten anstelle der üblichen Figur
gigantische Rinderhörner.
»Heiliger Strohsack«, murmelte ich, »was wird ihm
wohl als nächstes einfallen?«
Ich fuhr unter den Eichenkronen des South Boulevard
Richtung Hauptstraße und fand, daß die Bäume mit
ihren knorrigen Ästen ausgesprochen unheimlich
aussahen. Jeden Moment konnten sie menschliche Züge
annehmen, sich herunterbiegen, nach dem Auto greifen
und es weit weg schleudern, in ein düsteres Land mit
Drachen und Monstern aus Grimms Märchen – ein Land
ohne Schokolade und Coca Cola. Ich schüttelte diesen
schrecklichen Gedanken ab und kehrte in die tröstliche
Realität zurück, zu Gangstern, Knarren, Mördern und
billigem Gin.
84
Das mit den Gangstern erinnerte mich daran, daß ich
unterwegs bei Krön: Juwelen und Pfandleihe Halt machen
könnte. Vielleicht hatten sie einen Revolver, der klein
genug für meine Hosentasche war – nur so für alle Fälle.
Im Kampf gegen
Weitere Kostenlose Bücher