Heißer Winter in Texas
bis
dieser Irrsinn vorbei war. Ich weigerte mich standhaft,
versprach aber doch, an einem Abend der folgenden
Woche zum Essen zu kommen und sie außerdem sofort
anzurufen, falls wieder etwas passierte.
In gewohnter Zuverlässigkeit statteten Anice und ich
Mrs. Dantzlers Hof noch einen Besuch ab, und dann rief
ich Tony Mahan an, um ihm die Nachricht vom Tod
seines Vaters beizubringen. Bevor ich schlafen ging,
betete ich für Joe.
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Am nächsten Tag beschloß ich, ein As aus dem Ärmel
zu ziehen und Billy Oswald aufzusuchen. Er gehörte zu
den Reichen und Mächtigen der Stadt, zog die Fäden
aber hinter den Kulissen. Sein Vermögen hatte er
während der Prohibition mit Alkoholschmuggel
gemacht. Inzwischen nannte er ein Drittel aller in der
Stadt betriebenen Spielautomaten sein eigen sowie
einen gutgehenden Glücksspielsalon im sechsten Stock
des Lamar Hotels. Dort traf sich zu früherer oder
späterer Stunde alles zum Würfeln, was in Texas zum
großen Geld zählte, einschließlich Howard Hughes,
wann immer er in Houston weilte. Ich war schon in
dem Laden gewesen, als Errol Flynn mit Frank Nitti,
dem Unbezwingbaren von Chicago, die Würfel rollen
ließ. Man konnte nie wissen, wen man in Bills Spielhölle
gerade traf. Neben Schnaps und Glücksspiel hatte Bill
auch noch eine stattliche Truppe Edelhuren aufgebaut,
bekannt von Houston bis Dallas. In den Tagen, als er
noch
schwarzen
Schnaps
aus
Galveston
hereinschmuggelte, hatte er mindestens zwei Männer
umgebracht, die in sein Territorium eindringen wollten.
Es gab Gerüchte, daß noch ein paar andere den
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tödlichen Fehler begangen hatten, ihm irgendwie auf
die Zehen zu treten, aber da die Leichen nie gefunden
wurden, wußte niemand Genaueres. Bills bester Freund
war der Sheriff von Harris County. Mit einem Ohr in
dessen Büro und dem anderen am Herzschlag der
Unterwelt blieb ihm nichts verborgen, was sich in der
Stadt abspielte. Wenn er über etwas nicht Bescheid
wußte, konnte er innerhalb weniger Stunden alles
darüber herausfinden – oder die betreffende Sache
existierte nicht.
Ich hatte Bill vor Jahren über Joe Mahan
kennengelernt. Sie waren zusammen aufgewachsen und
Freunde geblieben, auch nachdem Joe zu den Schergen
ging und Bill sich auf der anderen Seite des Gesetzes
etablierte.
Bill wohnte am South Boulevard in einer Monterrey-
Villa mit rosa Stuck und Ziegeldach. Ich hielt in der
Hofeinfahrt, dann saß ich da, bewunderte das Haus und
fragte mich, ob ich jemals genug Geld haben wollte, um
mir etwas Ähnliches zu leisten. Schließlich stieg ich aus
und ging zur Tür, wobei ich mindestens sechs Paar
Augen auf mir fühlte. Das Haus wimmelte von
Leibwächtern. Aus den hundertjährigen Eichen, die den
Boulevard säumten, konnte keine einzige Eichel zu
Boden fallen, ohne daß diese Jungs es wußten.
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Ein Gorilla im Cowboykostüm öffnete die Tür, bevor
ich einen Finger nach der Klingel ausgestreckt hatte. Ich
trat ins Wohnzimmer, es hatte terrakottafarben
getünchte Wände mit indianischen Mustern in Weiß
darauf. Die Möbel waren sämtlich aus rohem
Eichenholz, überall im Raum lagen Navajodecken und
handgewebte Teppiche, dazwischen standen Kakteen in
Tontöpfen. Der Gorilla ließ mich dort warten, während
er sich erkundigte, ob Bill Zeit für mich hatte. Nach
kurzer Zeit kam er zurück und führte mich in Bills
Arbeitszimmer.
Hier standen zwei lohfarbene lederne Polstersessel
einem Schreibtisch gegenüber, der etwa die Breite des
Alamo River hatte. Die Ledercouch an der Wand paßte
zu den Sesseln. Rund um die Wände zogen sich Regale,
in denen teure Bücher und Remington-Bronzen standen.
Drei Telefone und ein Diktiergerät zierten den
Schreibtisch. Das Zimmer war fensterlos, und ich hatte
mich schon oft gefragt, ob es wohl einen unterirdischen
geheimen Ausgang gab.
Bill saß breit in seinem riesigen, mit Schnitzereien
verzierten Schreibtischstuhl, aber als ich eintrat, stand er
auf und kam mir breit lächelnd entgegen, um meine
Hände zu drücken. Seine großen dunklen Augen hinter
der Hornbrille waren sanft. Ohne seine Cowboystiefel
mit den siebeneinhalb Zentimeter hohen Absätzen maß
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er einen Meter neunzig. Die Stiefel waren aus dem
Leder äußerst seltener Reptilien gefertigt, was mich
nicht weiter juckte. Von mir aus konnte man alle
Reptilien zu Schuhen und Taschen verarbeiten – ich
haßte das Viehzeug. Bill hatte dichte, widerspenstige
graue Locken
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