Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heißer Winter in Texas

Heißer Winter in Texas

Titel: Heißer Winter in Texas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Powell
Vom Netzwerk:
den Verkehr mußte ich zwei Runden
    um den Block drehen, schimpfte wie ein Rohrspatz und
    verfluchte all die Widerlinge, die sich hier nur
    herumtrieben, um mir einen Parkplatz vor der Nase
    wegzuschnappen. Ich war schon drauf und dran, mein
    Brecheisen schwingend aus dem Wagen zu springen,
    um ein Ford T-Modell zu demolieren, das vor mir
    entlangkroch und mehr Rauch ausstieß als eine
    Ölraffinerie in Baytown, doch da erspähte ich einen
    Parkplatz und hechtete hinein. Ich ging die anderthalb
    Block zum Pfandleihhaus zu Fuß und mußte den Mantel
    ausziehen. Die Temperaturen waren auf 25 Grad plus
    geklettert, und bei der Luftfeuchtigkeit fühlte ich mich
    wie am Äquator. Keine Ahnung, warum bei diesem
    verdrehten Wetter noch nicht die gesamte Bevölkerung
    von Houston an epidemischer Lungenentzündung
    gestorben war.
    Zwei Frauen, die nach Sekretärinnen aussahen,
    kicherten die Drei-Dollar-Hochzeitsringe in der
    Schmuckauslage von Krön an. Ich strich an den Ringen,
    Armreifen und Manschettenknöpfen vorbei und zu den
    Schaukästen mit Revolvern. Hinter der Theke stand ein
    85
    teiggesichtiger Angestellter mit glänzenden schwarzen
    Haaren und telefonierte. Er bedachte mich mit einer
    spöttischen Grimasse.
    »Ich ruf später zurück«, sagte er, »hab‹ gerade einen
    Kunden.« Er wandte den Kopf zur Seite und flüsterte
    laut: »Es ist eine …«, hier senkte er die Stimme, damit
    ich nicht hörte, wofür er mich hielt, aber ich konnte es
    mir denken. Er prustete höhnisch, legte den Hörer auf
    und musterte mich langsam von oben bis unten. Dann
    fragte er: »Was kann ich für Sie tun, kleine Dame?«
    Ich holte tief Luft. »Ich würde mir gern einen
    kleinkalibrigen Revolver ansehen.«
    Er quatschte in hochnäsigem Tonfall über die
    Vorzüge des einen und die Möglichkeiten des anderen,
    während er sie aus dem Schaukasten holte. Sein
    viertelstündiger
    Pflichtvortrag
    wimmelte
    vor
    überflüssigen Fremdwörtern, die er fast durchweg
    falsch aussprach, aber schließlich war ich nicht
    hergekommen, um ihm Nachhilfe in Englisch zu geben.
    »Darf man fragen, wozu in aller Welt Sie überhaupt
    einen Revolver zu brauchen glauben, kleine Dame?« Er
    lächelte verächtlich.
    »Man darf. Ich glaube einem Kerl auf zwanzig Schritt
    Entfernung den Schwanz abschießen zu müssen, und
    dazu brauche ich eine zielsichere Waffe. Ich schieße
    ungern daneben.« Da war sie wieder, die kleine, bissige,
    86
    lesbische, angriffslustige bulldyke auf meiner Schulter.
    Eigentlich hatte ich sie zu Hause lassen wollen.
    Der Verkäufer wurde ein bißchen blaß um den Mund,
    seine zusammengekniffenen Lippen so weiß wie die
    Kapuzenmäntel des Ku-Klux-Klan. »Nun, da bin ich
    etwas überfragt. Hier kommen nicht viele Leute her, die
    eine Waffe für exakt diesen Zweck brauchen. In der Tat
    bin ich überzeugt, daß ich noch nie einen Kunden hatte,
    der mir mitgeteilt hätte, daß er für etwas Derartiges
    einen Revolver benötige.«
    »Nun ja, vielleicht haben Sie die anderen nicht so
    angeödet. Ich kann Ihnen versichern, selbst wenn ich
    vor Betreten dieses Ladens niemandem den Schwanz
    hätte abschießen wollen, würde mir dieser Wunsch
    gekommen sein, nachdem ich Ihrem pompösen,
    eingebildeten Geschwafel zuhören mußte. So. Ich
    nehme diesen 25er Dreyse Taschenrevolver und eine
    Schachtel Munition. Bitte.«
    Sein Mund hing in seinem Gesicht wie ein schief
    eingenähter Reißverschluß in einer billigen Stoffhose,
    und er hielt ihn bis zum Abschluß unseres Handels
    geschlossen. Ich hatte mehr Energie auf ihn
    verschwendet, als er verdient hatte, aber wenn ich
    dadurch einem anderen Kunden die Qual des Zuhörens
    erspart hatte, war es der Mühe wert gewesen. Auf einer
    Wolke der Selbstzufriedenheit schwebte ich aus dem
    87
    Laden, überzeugt, daß ich einmal mehr das Meine getan
    hatte, um die Welt zu einem angenehmeren Ort zu
    machen. Während ich zum Wagen zurückging, lud ich
    den Revolver und schob ihn in die Hosentasche. Ich
    hoffte, daß ich ihn nicht brauchen würde, aber nach
    dem, was Joe passiert war, wollte ich kein Risiko
    eingehen.
    Ich fuhr zum Haus der Republik. Laut Wegweiser
    befand
    sich
    der
    Club
    der
    amerikanischen
    Gewerkschaften im siebten Stock. Ich nahm den
    Fahrstuhl. Zur Beruhigung tastete ich nach der Waffe in
    meiner Tasche.
    Hinter der Bar bediente ein kleiner, drahtiger Mann.
    Sein Haar war in der Mitte gescheitelt und mit Pomade
    an den Schädel geklebt. Er starrte mich an und neigte
    den Kopf im

Weitere Kostenlose Bücher