Heißer Winter in Texas
und trug Western-Look-Maßanzüge mit
Bolo-Krawatte. Die Enden der Lederschnur waren in
Silber gefaßt, und der Verschluß vorn unter dem Kragen
mochte einen stilisierten winzigen Spielautomaten
darstellen, aber ganz sicher war ich nicht. Bill war etwa
sechzig und sah überhaupt nicht wie ein Gangster aus,
eher wie ein Gouverneur oder vielleicht ein Senator.
»Hallo, Schätzchen«, sagte er, erdrückte mich fast in
seiner Umarmung und gab mir einen Kuß auf die
Nasenspitze. »Wo treibst du dich denn rum? Hast dich
ja eine Ewigkeit nicht blicken lassen.«
Aus einem mir unbekannten Grund hielt Bill mich für
einen Menschen ohne Fehl und Tadel und fand
ausnahmslos alles, was ich sagte, entweder sehr wichtig
oder sehr komisch. Dies hatte ihm etliche Punkte auf
meiner persönlichen Beliebtheitsskala eingetragen. Daß
er vielleicht ein, zwei oder auch drei Menschen auf dem
Gewissen hatte, verblaßte daneben ein wenig – nun ja,
irgendwann müssen wir alle sterben.
»Rose wird sich ärgern, daß sie dich verpaßt hat.« Er
umarmte mich ein zweites Mal und setzte dann mich in
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den einen Sessel und sich in den anderen. Er rückte ihn
so zurecht, daß er mir gegenübersaß. »Sie ist beim
Blumenzüchterverein.«
Rose war wohl die einzige Person in der ganzen
Stadt, die nicht genau wußte, wie Bill seine Brötchen
verdiente. Sie hatte vor langer, langer Zeit beschlossen,
daß er Viehzüchter sei, obwohl sie gar keine Ranch
besaßen. Sie ging sogar so weit, seine bezahlten
Gangster als Stallburschen zu bezeichnen. Ich muß wohl
nicht weiter betonen, daß es sie einige Anstrengung
kostete, die harten Tatsachen zu ignorieren;
infolgedessen neigte sie dazu, ständig irgendwelche
Oberflächlichkeiten von sich zu geben, um sich am
Denken zu hindern – wie ein wandelndes Klosett, das
unablässig spülen mußte, damit der Hirnkasten leer
blieb.
»Hast du von Joe gehört?«, fragte ich Bill.
»Ja. Wirklich eine Sauerei.« Er schüttelte traurig den
Kopf. »Ich habe Joe geliebt wie einen Bruder. Er war ein
guter Mann. Wenn auch ein bißchen schwer von Begriff.
Er hat zuviel gesoffen, und seinen letzten Rest Hirn hat
er bei Susie Noble weggevögelt. So konnte einfach
nichts aus ihm werden.«
Ach du lieber Gott, dachte ich. Das war offenbar
alles, was es über Joe zu sagen gab. Da würde schon tief
geschürft werden müssen, um einen Spruch für seinen
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Grabstein zu finden, der sinniger war als »Hier ruht Joe
Mahan. Geboren am 16. Juni 1878. Gestorben am 15.
Februar 1936. Der Sinn seines Lebens war, sich die
Trompete blasen zu lassen.« Wer zum Teufel dachte
sich eigentlich all diese schönen Umschreibungen aus?
Es klopfte, und einer der Gorillas rollte einen über
und über mit Essen beladenen Tisch ins Zimmer. Bill
hatte einen französischen Koch der Weltklasse
engagiert. Deshalb legte ich meine Besuche immer auf
die Essenszeit.
»Oh, verflixt! Ist es schon mittags? Ich dachte, es sei
erst zehn! Ich verschwinde und komme später wieder«,
sagte ich und sprang auf, als wollte ich das Haus
verlassen.
Bill grinste und schob mich in meinen Sessel zurück.
Mit einem Handzeichen wies er seinen Hausgangster
an, den Tisch zwischen uns zu plazieren. Es gab
Weinbergschnecken, Hühnchen in Champagner und
Gemüse, das so gedämpft war, daß es noch Biß hatte.
Zum Nachtisch wurden Croissants mit Butter und
kleine Schälchen mit Schokoladenkonfekt gereicht.
»Ich kann ganz bestimmt nichts essen«, protestierte
ich und klopfte mir auf den Bauch. »Anice und ich
haben heute morgen um sieben Ingwerkekse
gefrühstückt. Ich bin einfach satt.«
»Iß«, befahl er.
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Er mußte es nicht nochmal sagen. Ich machte mich so
schnell darüber her – eine Kannibalin hätte in der Zeit
gerade mal einen Missionar in handliche Stückchen
zerteilt. Bill aß langsam, und so verputzte ich auch noch
seinen Nachtisch. Wir redeten übers Essen, übers Wetter
und darüber, wer gerade auf Öl gestoßen und damit
zum neuesten Millionär in Texas aufgestiegen war. Als
wir das Mittagessen beendet und Bill sich eine Zigarre
angezündet hatte, kam ich zur Sache und fragte ihn, ob
er je von einem Gauner namens Tully gehört hatte,
dessen Stimme auf einen Hals voller Kieselsteine
schließen ließ.
»Das klingt nach Tully Kirk. Als ich zuletzt von ihm
hörte, trieb er sich oben am Panhandle herum und war
von ein paar Leuten, die da Erdgas fördern, als Gorilla
engagiert. Da oben
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