Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heißer Winter in Texas

Heißer Winter in Texas

Titel: Heißer Winter in Texas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Powell
Vom Netzwerk:
und trug Western-Look-Maßanzüge mit
    Bolo-Krawatte. Die Enden der Lederschnur waren in
    Silber gefaßt, und der Verschluß vorn unter dem Kragen
    mochte einen stilisierten winzigen Spielautomaten
    darstellen, aber ganz sicher war ich nicht. Bill war etwa
    sechzig und sah überhaupt nicht wie ein Gangster aus,
    eher wie ein Gouverneur oder vielleicht ein Senator.
    »Hallo, Schätzchen«, sagte er, erdrückte mich fast in
    seiner Umarmung und gab mir einen Kuß auf die
    Nasenspitze. »Wo treibst du dich denn rum? Hast dich
    ja eine Ewigkeit nicht blicken lassen.«
    Aus einem mir unbekannten Grund hielt Bill mich für
    einen Menschen ohne Fehl und Tadel und fand
    ausnahmslos alles, was ich sagte, entweder sehr wichtig
    oder sehr komisch. Dies hatte ihm etliche Punkte auf
    meiner persönlichen Beliebtheitsskala eingetragen. Daß
    er vielleicht ein, zwei oder auch drei Menschen auf dem
    Gewissen hatte, verblaßte daneben ein wenig – nun ja,
    irgendwann müssen wir alle sterben.
    »Rose wird sich ärgern, daß sie dich verpaßt hat.« Er
    umarmte mich ein zweites Mal und setzte dann mich in
    78
    den einen Sessel und sich in den anderen. Er rückte ihn
    so zurecht, daß er mir gegenübersaß. »Sie ist beim
    Blumenzüchterverein.«
    Rose war wohl die einzige Person in der ganzen
    Stadt, die nicht genau wußte, wie Bill seine Brötchen
    verdiente. Sie hatte vor langer, langer Zeit beschlossen,
    daß er Viehzüchter sei, obwohl sie gar keine Ranch
    besaßen. Sie ging sogar so weit, seine bezahlten
    Gangster als Stallburschen zu bezeichnen. Ich muß wohl
    nicht weiter betonen, daß es sie einige Anstrengung
    kostete, die harten Tatsachen zu ignorieren;
    infolgedessen neigte sie dazu, ständig irgendwelche
    Oberflächlichkeiten von sich zu geben, um sich am
    Denken zu hindern – wie ein wandelndes Klosett, das
    unablässig spülen mußte, damit der Hirnkasten leer
    blieb.
    »Hast du von Joe gehört?«, fragte ich Bill.
    »Ja. Wirklich eine Sauerei.« Er schüttelte traurig den
    Kopf. »Ich habe Joe geliebt wie einen Bruder. Er war ein
    guter Mann. Wenn auch ein bißchen schwer von Begriff.
    Er hat zuviel gesoffen, und seinen letzten Rest Hirn hat
    er bei Susie Noble weggevögelt. So konnte einfach
    nichts aus ihm werden.«
    Ach du lieber Gott, dachte ich. Das war offenbar
    alles, was es über Joe zu sagen gab. Da würde schon tief
    geschürft werden müssen, um einen Spruch für seinen
    79
    Grabstein zu finden, der sinniger war als »Hier ruht Joe
    Mahan. Geboren am 16. Juni 1878. Gestorben am 15.
    Februar 1936. Der Sinn seines Lebens war, sich die
    Trompete blasen zu lassen.« Wer zum Teufel dachte
    sich eigentlich all diese schönen Umschreibungen aus?
    Es klopfte, und einer der Gorillas rollte einen über
    und über mit Essen beladenen Tisch ins Zimmer. Bill
    hatte einen französischen Koch der Weltklasse
    engagiert. Deshalb legte ich meine Besuche immer auf
    die Essenszeit.
    »Oh, verflixt! Ist es schon mittags? Ich dachte, es sei
    erst zehn! Ich verschwinde und komme später wieder«,
    sagte ich und sprang auf, als wollte ich das Haus
    verlassen.
    Bill grinste und schob mich in meinen Sessel zurück.
    Mit einem Handzeichen wies er seinen Hausgangster
    an, den Tisch zwischen uns zu plazieren. Es gab
    Weinbergschnecken, Hühnchen in Champagner und
    Gemüse, das so gedämpft war, daß es noch Biß hatte.
    Zum Nachtisch wurden Croissants mit Butter und
    kleine Schälchen mit Schokoladenkonfekt gereicht.
    »Ich kann ganz bestimmt nichts essen«, protestierte
    ich und klopfte mir auf den Bauch. »Anice und ich
    haben heute morgen um sieben Ingwerkekse
    gefrühstückt. Ich bin einfach satt.«
    »Iß«, befahl er.
    80
    Er mußte es nicht nochmal sagen. Ich machte mich so
    schnell darüber her – eine Kannibalin hätte in der Zeit
    gerade mal einen Missionar in handliche Stückchen
    zerteilt. Bill aß langsam, und so verputzte ich auch noch
    seinen Nachtisch. Wir redeten übers Essen, übers Wetter
    und darüber, wer gerade auf Öl gestoßen und damit
    zum neuesten Millionär in Texas aufgestiegen war. Als
    wir das Mittagessen beendet und Bill sich eine Zigarre
    angezündet hatte, kam ich zur Sache und fragte ihn, ob
    er je von einem Gauner namens Tully gehört hatte,
    dessen Stimme auf einen Hals voller Kieselsteine
    schließen ließ.
    »Das klingt nach Tully Kirk. Als ich zuletzt von ihm
    hörte, trieb er sich oben am Panhandle herum und war
    von ein paar Leuten, die da Erdgas fördern, als Gorilla
    engagiert. Da oben

Weitere Kostenlose Bücher