Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heißer Winter in Texas

Heißer Winter in Texas

Titel: Heißer Winter in Texas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Powell
Vom Netzwerk:
nicht erzählen. Aber
    alle Leute denken, wir führen eine vollkommene Ehe,
    und es gibt keine Menschenseele, mit der ich reden
    kann. Ich weiß nicht mehr, was ich machen soll.«
    »Wo ist Andrew?«
    »In New York. Er verbringt dort drei Wochen pro
    Monat. Er sagt, es sei geschäftlich, aber ich weiß, daß er
    eine andere Frau hat. Und, Gott steh mir bei, ich bin
    froh drüber. Sie wissen ja nicht, was für eine
    Erleichterung es ist, wenn nachts kein Mann in Ihrem
    Bett liegt und mit Ihnen schlafen möchte, während Sie
    beim Sex vor Grauen am liebsten schreien würden.«
    117
    Möglich, daß ich das nicht wußte, aber ich konnte es
    mir vorstellen, und das reichte völlig. Ich kippte meinen
    Drink und suchte nach einer passenden Antwort. »Sie
    können Ihr Leben nicht für andere leben. Was ist das
    Schlimmste, was passieren kann, wenn Sie sich scheiden
    lassen?«
    »Meine Mutter würde sterben.«
    »Nein, das würde sie nicht. Das mag sie Ihnen
    einreden wollen, aber es ist nicht wahr. Und selbst
    wenn, meiner Ansicht nach wär‹s kein großer Verlust.
    Ich kann Frauen nicht ausstehen, die ihre Kinder dazu
    manipulieren, Dinge gegen ihren Willen zu tun. Sie war
    stark genug, Sie zu dieser Ehe zu überreden. Sie können
    mir glauben, daß sie auch genug Kraft haben wird, eine
    Scheidung zu überleben.«
    »Ich schäme mich so sehr.« Das Elend war ihrer
    Stimme anzuhören. »Ich bin ein einziger Fehlschlag. Ich
    lasse meine Mutter schon wieder im Stich.«
    »Sie lassen schon die ganze Zeit nur eine Person im
    Stich: sich selbst. Was hätten Sie mit Ihrem Leben
    angefangen, wenn Sie nicht geheiratet hätten? Was
    wollten Sie als Jugendliche tun?«
    »Ich wollte Künstlerin werden«, schniefte sie in die
    Serviette.
    Gott sei‹s getrommelt und gepfiffen. Ich schnappte
    nach dem Thema wie ein Passagier der Titanic nach
    118
    einer Schwimmweste. Wir sprachen über Kunst, das
    Hauptfach ihres Collegeabschlusses. Sie hatte außerdem
    Goldschmiedin werden wollen. Ich ermutigte sie, diese
    Arbeit wieder aufzunehmen. Ihr Gesicht begann zu
    strahlen. Sie war entzückt von der Vorstellung und
    plante, sich das nötige Werkzeug zu beschaffen, um neu
    anzufangen.
    In der Nähe der Bar hatte eine Pianistin zu spielen
    begonnen. Sie seufzte, sang und schluchzte Lieder mit
    einer Stimme, die der pure, nackte Sex war. Wir
    unterhielten uns lange, und zwischendurch lauschten
    wir der Sängerin. Lily sah fröhlicher aus, als ich sie je
    gesehen hatte, wohl weil endlich einmal ausgesprochen
    war, was sie so lange als Staatsgeheimnis mit sich
    herumgetragen hatte. Es schien, als sei ihr die Last des
    Erdballs von den Schultern genommen, nur weil sie
    jemandem erzählt hatte, daß sie eine miserable Ehe
    führte. Es war kaum zu glauben, um wieviel glücklicher
    Menschen sein konnten, wenn sie die Maske fallen
    ließen und aufhörten, sich und andere zu belügen.
    »Ich muß meinen Chauffeur anrufen, daß er mich
    abholt«, sagte sie schließlich mit einem Blick auf die
    Uhr. »Ich bin in einem Kommittee für die
    Jahrhundertfeier, und wir haben morgen früh um zehn
    Uhr eine Sitzung.«
    119
    Ich sah auf die Uhr und stellte erstaunt fest, daß es
    ein Uhr morgens war, wir saßen seit fast drei Stunden
    zusammen.
    »Ich fahre Sie nach Hause«, bot ich ihr an. Es war
    kein großer Umweg, und ich wollte den Abend noch ein
    bißchen verlängern.
    »Macht das auch bestimmt keine Umstände?« fragte
    sie.Der für die Autos zuständige Livrierte fuhr meinen
    Wagen vor. Anice rollte sich auf Lilys Schoß zusammen,
    als wären sie alte Freundinnen. Ich fuhr Richtung River
    Oaks. Wir plauderten gemütlich, und ich machte
    bewußt einen Umweg. Trotzdem hielten wir
    irgendwann vor ihrem Haus.
    »Danke fürs Mitnehmen und Zuhören. Ich fürchte,
    ich habe Sie mit meinen Problemen belastet, aber ich
    verspreche Ihnen, daß ich das nächste Mal kein Wort
    darüber verlieren werde.«
    Ich versicherte ihr, daß sie mir keine Last gewesen
    war und daß sie immer mit mir reden könne, wenn es
    ihr ein Bedürfnis sei.
    Sie hatte schon den Türgriff in der Hand. Dann
    zögerte sie, bog sich mir entgegen, legte mir die Arme
    um den Hals und drückte mich. »Ich danke Ihnen so
    sehr.«
    120
    Ich umarmte sie ebenfalls. Ihr Kopf streifte mein
    Gesicht. Sie drehte sich zu mir, um noch etwas zu sagen,
    und als sie das tat, küßte ich sie auf die Lippen. Ich weiß
    nicht, was mich dazu trieb – einen winzigen Augenblick
    lang schien es einfach das Richtige.

Weitere Kostenlose Bücher