Heißer Winter in Texas
Stimme
verstellt, um wie ein Geistesgestörter zu klingen.
Anscheinend war ihm nicht klar, daß das, was er sagte,
geistesgestört genug war. Ich hatte keinen Schimmer,
wer das gewesen sein konnte, aber so sicher wie Anices
Haufen in Mrs. Dantzlers Hof war es kein harmloser
nachbarschaftlicher Gruß nach längerer Funkstille.
Ich brauchte eine Zigarette, aber ich konnte nicht
rauchen, weil meine Hündin davon niesen mußte.
Ich saß auf der Bettkante und dachte angestrengt
drüber nach, wer mich gute alte Haut umbringen
wollte. Die Liste war so lang, daß ich mich auf das
vergangene halbe Jahr beschrankte. Mir fielen
mindestens sieben Politiker ein, dazu fünf Gangster,
zwei
Stadtverordnete
und
diverses
kleineres
Kroppzeug. Eine wütende Anice starrte mich aus
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glasigen Augen an, um mir klarzumachen, daß sie es
nicht schätzte, wenn ich mitten in der Nacht Licht
machte. Ich ignorierte sie, ging zum Frisiertisch und
holte die 38er aus der Schublade. Ich sah nach, ob sie
geladen war, und steckte sie unters Kopfkissen. Dann
erst schaltete ich das Licht aus und wälzte mich herum,
bis ich endlich einschlief.
Ich träumte, daß Lily mich zu ihren Eltern mitnahm.
Sie saßen angezogen im Bett, und ich kroch zu ihnen
unter die Decke und fing eine Unterhaltung an. Ein
kleiner Vogel kam ins Zimmer. Er war etwa so groß wie
mein Daumen, hatte hellrotes Gefieder, zwei Köpfe und
die Rückenfedern sahen aus wie zwei riesengroße
Augen. Er symbolisierte Liebe und Harmonie. Ich jagte
ihm die ganze Nacht hinterher.
Kurz nach sieben weckte mich das Telefon erneut. Ich
schnappte es mir und knurrte ein Hallo in die
Sprechmuschel.
»Guten Morgen«, sagte Lily.
»Hallo. Ich dachte, du wärst jemand anders«, erklärte
ich. »Am Telefon, meine ich. Ich hab‹ heute nacht einen
obszönen Anruf bekommen, und ich dachte, der Typ
ruft nochmal an.«
»Oh. Es tut mir leid, wenn ich dich geweckt habe,
aber ich wollte dich erwischen, bevor du aus dem Haus
gehst.«
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Ich fühlte mein Herz schwer werden. Sie hatte es sich
anders überlegt. Sie rief an, um unser Treffen heute
abend abzusagen, und ich würde nie mehr ein Wort von
ihr hören.
»Ich wollte dir nur sagen, daß Benny Goodman heute
abend im Rice Terrace spielt, und dich fragen, ob du
Lust hast hinzugehen?«
»Liebend gern! Ich wollte ihn immer schon sehen,
aber jedesmal, wenn er in Houston spielte, kam mir was
dazwischen. Wann fängt es denn an?« Hätte sie mich zu
einem Konzert eingeladen, wo das Orchester mit den
Fingernägeln auf Tafeln kratzt – ich hätte ja gesagt.
»Um neun.«
»In Ordnung. Soll ich dich abholen, wollen wir uns
dort treffen, oder wie machen wir‹s?«
»Treffen wir uns dort. Acht Uhr dreißig vor dem
Eingang.«
»Ich werde mich den ganzen Tag darauf freuen«,
sagte ich.
»Ich mich auch.«
»Ach, ähm, Lily, wann sagtest du, würde Andrew
zurückkommen?« fragte ich ganz nebenbei.
»Keine Ahnung. Ungefähr in zwei Wochen. Wieso?«
»Ohne besonderen Grund. Ist mir nur so eingefallen.«
»Oh. Na, ich wünsche dir einen wundervollen Tag,
Hollis. Ich werde an dich denken.«
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»Ich werde auch an dich denken.« Ha! Ich würde
wahrscheinlich für den Rest meines Lebens an nichts
anderes mehr denken.
»Ich muß jetzt unter die Dusche schlüpfen. Bis heute
abend!« verabschiedete sie sich.
Ich legte mich wieder in meine Kissen und malte mir
aus, wie sie unter der Dusche stand. Ich wußte ganz
genau, wie sie aussehen würde. Allerdings würde ich
heute nicht viel auf die Reihe kriegen, wenn ich weiter
darüber nachdachte. Ich fragte mich, ob sie unsere
Gespräche immer mit Sätzen wie ›Ich muß ins Bett‹
oder ›Ich schlüpfe unter die Dusche‹ beenden würde.
Hoffentlich nicht. Meine Phantasie war ohnehin schon
zu lebhaft, und es brauchte nicht viel, um sie völlig
außer Rand und Band geraten zu lassen. Aber ich hatte
heute viel vor, also wälzte ich mich endlich aus dem
Bett, statt weiter mit glasigen Augen herumzuliegen, als
hätte ich Gehirnerschütterung.
Nachdem ich Anice ausgeführt hatte, schlüpfte ich
unter meine eigene Dusche. Das warme Wasser
prasselte mir auf den Kopf und vertrieb ein paar der
zarten Gespinste. Ich machte einen Plan für den Tag.
Eigentlich mußte ich Cotton Peeples finden, aber das
brauchte mehr Zeit, als ich hatte. Ich mußte Susie
Nobles übelbeleumdeten Haus einen Besuch abstatten
und nachforschen, ob Joe in der Nacht
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