Heißer Winter in Texas
befanden uns in den Außenbezirken
der Stadt. River Oaks bildete die westliche Grenze,
danach kam nichts mehr außer Wäldern, versumpften
Flußarmen und Wassermokassinschlangen. Wir bogen
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in eine kreisförmige Auffahrt. Das Haus war
weißgetüncht,
ein
zweistöckiger
neoklassischer
Prunkbau. Ringsum aufgestellte Säulen krönten das
architektonische Konzept. Delacroix‹ vier Wände waren
nur unwesentlich kleiner als Chicago und standen auf
mehreren Morgen des teuersten Baugrunds von
Houston, Texas.
Zwischen uralten Eichen und Magnolien schwebten
wir die Einfahrt hoch. Der Park war mit Azaleen,
Oleanderbüschen, Rosen und Kamelien bepflanzt und
würde in etwa einem Monat erblühen. Beziehungsweise
die Azaleen würden in einem Monat blühen. Die
anderen würden sich anschließend reihum ablösen. Das
Haus sah aus, als wäre es in Natchez oder Atlanta aus
dem Boden gerissen und in Houston fallengelassen
worden – mit Garten und allem, was dazugehört. Fast
erwartete ich, daß eine Frau im Reifrock auf der
Veranda erscheinen und in Ohnmacht fallen würde.
Wir bremsten vor dem Haupteingang, und noch
bevor ich aus dem Auto steigen konnte, wurde die
Haustür von einem Butler in Frack, Handschuhen und
Gamaschen geöffnet. Allmählich überwältigte mich das
Ganze doch. Der Mund des Butlers bewegte sich etwa
einen Zehntelmillimeter pro Mundwinkel aufwärts, und
ich begriff, daß er sich um ein Lächeln bemühte. Es sah
aus, als täte es ihm weh. Wenn dieser Mensch jemals
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zufällig lachte (was ihm natürlich nie passieren würde),
gäbe es vermutlich ein Geräusch, als zerrisse jemand
billigen Baumwollstoff.
Er sagte: »Bitte folgen Sie mir.«
Ich war froh, daß er nicht »Mir nach« sagte wie bei
den Marx Brothers, weil mich das unweigerlich verleitet
hätte, ihn nachzumachen, während er die Eingangshalle
durchschritt. Er ging unerhört steifbeinig, den
Oberkörper vorgestreckt, der Hintern ragte in die Luft.
Ich gab mir Mühe, jetzt nicht an einen Entenbürzel zu
denken.
Der Fußboden der Halle war aus hellblondem Holz,
und aus irgendeinem Grund verursachten meine Schuhe
ein Geräusch wie ein Vorschlaghammer auf
Eisenbahnschwellen, als ich hinter dem Butler
herstapfte.
Ich
erwog,
auf
Zehenspitzen
dahinzuschleichen, aber das wäre noch auffälliger
gewesen. Ich hasse sowas. Warum konnten sich diese
verdammten Butlerfüße so geräuschlos bewegen?
Er führte mich in ein Zimmer mit Teppichboden,
dem Himmel sei Dank. Alles war weiß hier: Wände,
Möbel, Teppich, Vorhänge – sogar das Telephon. In
einem riesigen Kamin an einer Seite des Raums
prasselte ein ordentliches Feuer. Es sah aus wie eine
Kulisse für Jean Harlow.
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Mit Grabesstimme teilte mir der Butler mit, daß Mr.
und Mrs. Delacroix jeden Augenblick herunterkämen
und ich es mir bequem machen solle. Er wandte sich ab
und verließ den Raum. Was für ein begnadeter
Komiker. Ich persönlich fand die Vorstellung, daß er
sich den ganzen Tag in meinem Haus herumdrücken
könnte, entsetzlich. Lieber in Ballettschuhen mit
rutschendem Höschen vor Publikum tanzen.
Ich durchquerte das Zimmer, um die Bilder an der
Wand zu betrachten. Der Teppich war so dick, daß ich
mir vorkam, als würde ich den Sumpf von Atchafalaya
durchwaten. Die Bilder entpuppten sich als Monets,
Renoirs, Manets. Dazwischen hingen ein paar Van
Goghs, damit die Mischung stimmte. Ich fragte mich,
ob sie oben die Mona Lisa versteckt hatten. Der bloße
Gedanke so zu leben machte mich völlig benommen.
Ich schlenderte umher, bis ich an eine verschlossene
Doppeltür kam. Ach, zum Teufel – warum nicht einen
Blick dahinterwerfen? Ich öffnete die Tür und spähte
durch den Spalt. In diesem Raum herrschte der Krieg:
Auf großen Tischen waren Miniatursoldaten aufgestellt,
die verschiedene Schlachten aus der Geschichte
nachkämpften. Porträts berühmter Generäle zierten die
Wände, und es gab allerlei militärisches Spielzeug:
Musketen aus dem Bürgerkrieg, Säbel aus der
französischen Revolution und sogar die eine oder
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andere alte Uniform. Es war faszinierend – zu
faszinierend.
»Andrews Vater war im Ersten Weltkrieg Oberst der
amerikanischen Armee«, sagte eine Stimme an meinem
Rücken. »All das hat er zu Lebzeiten gesammelt und
dann Andrew hinterlassen. Andrew ist sehr stolz
drauf.«
Hinter mir stand Lily Delacroix. Sie war mittelgroß
und so schlank, daß sie fast zerbrechlich wirkte.
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