Heißes Blut: Anthologie (German Edition)
er hatte es mehr genossen, als ihm vielleicht guttat, die Verantwortung zu tragen. Egal, wie oft er es Emile gegenüber abstritt, er war dazu geboren zu herrschen. Daran bestand für Bastien nicht der geringste Zweifel, als er in diesem kleinen, selbst geschaffenen Königreich stand, und schon gar nicht, solange Marianns Beschuldigungen ihm noch immer in den Ohren klangen.
Du hast das ohne meine Erlaubnis getan und in dem sicheren Bewusstsein, dass ich alles würde aufgeben müssen, was mir wichtig ist.
Sie war der Wahrheit näher gekommen, als sie ahnte. Er hatte gedacht, er sei über solch diktatorisches Verhalten hinaus, aber da hatte er sich geirrt.
Denn leider war die Tatsache, zum Herrschen geboren zu sein, noch lange nicht gleichbedeutend mit der, auch dazu geboren zu sein, gut zu herrschen.
Verärgert über seine eigenen müßigen Überlegungen, ließ er sich in den Drehstuhl hinter dem Empfangstisch fallen und rollte sich auf den bronzenen Laufrollen im Kreis herum. Trotz des Bedauerns über seine Handlungsweise wusste er nicht, wie er sich sonst hätte verhalten sollen. Machte es ihn zu einem schlechten Menschen – oder Upyr – zuzugeben, dass er Marianns Groll ihrem Tod vorzog? Dass er ungeachtet ihrer Wünsche alles in seiner Macht Stehende tun würde, um sie am Leben zu erhalten? Bastien konnte sich nicht dazu überwinden, seine Entscheidung zu ändern, auch wenn er wusste, dass das falsch sein könnte. Wenn er ehrlich sein sollte, wünschte er sich mehr als alles andere, Mariann einfach am Kragen packen und sicher heimbringen zu können.
Sie gehört zu meinem Rudel, dachte er eigensinnig, genauso wie Emile. Auch wenn der Rat der Upyr seine Erhebung in den Rang des Führers nicht bewilligt hatte. Auch wenn er selbst vielleicht nicht ganz mit seinem Verhalten einverstanden war. Die Natur war die Natur. Und falls dies kein höheres Gesetz war, dann zumindest eins, das man nicht ignorieren sollte.
Bastien erhob sich jäh, als seine Entscheidung fiel, und legte die Hände auf das noch leere Reservierungsbuch. Er würde zu Mariann gehen. Es war Wahnsinn, sie in ihrem derzeitigen Zustand allein zu lassen. Dies war der richtige Moment, um seinen Herzenswunsch voranzutreiben. Sie mochte vorher ein verwundbarer Mensch gewesen sein, aber heute Nacht war sie stark genug zu kämpfen.
Und was ihn anging, war das alle Gerechtigkeit, die Mariann von ihm bekommen würde.
Bastien war noch nie in ihrem Haus gewesen, obwohl er ein, zwei Nächte damit verbracht hatte, sehnsüchtig durch ihre Fenster zu spähen. Angesichts der Pläne, die er hatte, wartete er nicht erst auf eine Einladung, ihre Küche zu betreten. Die Schlichtheit dieses Raumes überraschte ihn. Abgesehen von einem sehr professionell aussehenden Herd, hätte alles, was sich darin befand, auch in jedem alten Farmhaus aufgetrieben werden können.
Es irritierte ihn, Mariann im Schneidersitz auf dem Linoleumboden anzutreffen, mit einer Vielzahl von Gerichten vor und um sich. Bei seinem Eintreten blickte sie auf, und dann strich sie sich die Locken aus dem Gesicht und seufzte. Zu sehen, wie müde sie war, streute Sand ins Getriebe seiner Pläne, sie in seine Arme zu treiben. Leider war es nur zu offensichtlich, dass sie nicht in der Verfassung dazu war.
Aber zumindest konnte Bastien sich damit trösten, dass sie nicht verärgert zu sein schien, ihn in ihrem Haus zu sehen.
»Ich dachte, du wärst vielleicht durstig«, sagte er und zeigte ihr die mitgebrachte Flasche.
Mariann beäugte sie misstrauisch. »Wein?«
»Besser«, antwortete er und entkorkte die Flasche.
Das Blut war dunkel, als er es in ein sauberes Glas goss. Er hatte das Blut – wie den Rest seines Vorrats – von einem Angestellten der hiesigen Blutbank gekauft, den er durch geistigen Zwang dazu gebracht hatte zu glauben, Bastien habe eine seltsame Manie. Es flößte ihm keine Schuldgefühle ein, diesen Vorteil auszunutzen. Es war nicht immer praktisch, sich direkt von Menschen zu nähren. Außerdem konnte die Blutbank mit dem, was Bastien für einen halben Liter bezahlte, dreimal so viel kaufen. Mariann, die glücklicherweise nichts von seinen Überlegungen mitbekam, nahm das angebotene Glas an. Zuerst schnupperte sie daran, doch dann verzog sie das Gesicht und stürzte den Inhalt in einem Zug hinunter. Eine bezaubernde Röte stieg in ihre Wangen.
»Wow«, murmelte sie, das Handgelenk an ihre Lippen gepresst. »Es ist wirklich kaum zu glauben, wie gut das schmeckt. Ich glaube, mein
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