Heißes Blut: Anthologie (German Edition)
Bett, und sie schickten jemand anderen, um meine Gabe zu erwecken. Er wollte es nicht. War es deinetwegen?«
Oje . »Warum lässt du mich nicht Lancelot holen, dann könnt ihr miteinander reden …«
Eine Hand schoss vor und legte sich um Grace’ Kinn, und scharfe rote Fingernägel bohrten sich in ihre Haut. »Ich frage mich, ob ich die Zukunft nicht noch ändern könnte …« Mit der übermenschlichen Kraft einer Maja hob Clarice Grace hoch, sodass diese gerade noch auf ihren Zehenspitzen stand. Dann trat Clarice näher, und die Lichter in ihren stark geweiteten Pupillen blitzten immer schneller auf. »Ob ich nicht dafür sorgen könnte, dass er dich nie wieder ansieht.«
Hol dich der Teufel! , dachte Grace und schlug der Maja die Faust ans Kinn. Aber eine jähe Hitzewelle ging von den Fingern um ihr Gesicht aus und ließ ihren Arm in der Luft erstarren .
»Ich frage mich«, flüsterte Clarice, »ob ich dir nicht den Verstand wegbrennen könnte.«
Und im selben Moment löste sich etwas aus dem Verstand der Hexe und legte sich um Grace’ Bewusstsein, etwas Schwarzes, Widerliches, in dem es wimmelte wie in einem Nest von Maden. Grace versuchte zu schreien, aber der einzige Laut, den sie hervorbrachte, war ein heiseres, ersticktes Wimmern .
Und dann erfasste sie ein Schmerz, als verwandelten ihre Knochen sich in rot glühende Feuerhaken, die sie von innen heraus verbrannten. Außerstande, etwas zu sagen, wiederholte Grace im Stillen nur immer wieder hilflos eine Bitte: Hör auf damit, hör auf damit, hörauf HÖRAUFHÖRAUF .
Clarice lächelte böse. »Nein.«
Bilder begannen aus ihrer Peinigerin hervorzuströmen und wie ein feuriger Hagelsturm in Grace’ Kopf hineinzuregnen: Bilder von ihr selbst, wie sie in Flammen aufging, wie ihre Haut aufplatzte und von ihren Knochen abfiel wie Schicht um Schicht einer brennenden Zwiebel. Wie sie schrie und bettelte, während Clarice lachte.
Und dann wurde es sogar noch schlimmer .
Nun kamen grauenhafte Bilder von Blut und Leiden, nicht nur des ihren, sondern auch all derer, die Clarice ebenso verhasst waren, sogar Lance’ Bild erschien, und alle, die Grace sah, starben von der Macht, die in der neuen Maja loderte. Grace konnte sie nicht aufhalten, niemand konnte es, Clarice war unbesiegbar …
Zwei starke Männerhände ergriffen den Kopf der Hexe. Ihre vom Wahnsinn glühenden Augen weiteten sich. Die starken Hände machten eine schnelle, scharfe Drehung. Etwas knackte. Clarice … knickte um und sackte in sich zusammen wie ein leerer Anzug.
Das Feuer, der Schmerz, der Wahnsinn – alles war wie weggeblasen. Starke Arme legten sich um Grace, hoben sie auf und trugen sie zur Tür. Sie wehrte sich voller Panik, bis sie Lance’ beruhigende Stimme hörte:
»Ich bin’s, Liebes. Es ist okay, ich hab dich.«
Er begann, ihr etwas zu erzählen, irgendetwas über einen Zauber, den Clarice gewirkt hatte, um ihn abzulenken, bis er gemerkt hatte, was sie im Schilde führte . Grace, die ihm kaum zuhörte, wandte den Kopf, um über seine breite Schulter zurückzublicken. Ein regloser Körper mit unnatürlich verdrehtem Kopf lag hinter ihnen am Boden.
Aber das Haar war nicht rot wie das von Clarice, sondern irgendwie zu einem hellen Blond geworden. Grace sah genauer hin …
Sie erwachte schreiend in Lance’ Armen.
»Es ist alles gut, ich halte dich«, sagte er, und seine Stimme klang genauso wie in dem Traum. Grace war zu verwirrt und desorientiert, um zu entscheiden, was real war und was nicht. »Du hattest einen Albtraum«, sagte Lance.
»Oh Gott.« Grace schlang die zitternden Arme um seine Schultern und versuchte, an seinem warmen Körper Trost zu finden. »Es war grauenvoll.«
»Was hast du denn geträumt?« Sie konnte sein Herz fast ebenso heftig schlagen hören wie das ihre. »Ich habe dich noch nie so schreien gehört.«
»Clarice. Ich habe von Clarice geträumt. Aber …« Sie umklammerte seine Schultern noch fester und erschauderte.
»Aber?«
»Am Ende des Traumes, als ich mich noch einmal nach der Leiche umsah …« Sie schluckte. »Da war ich es.«
Lance zog sie noch fester an sich. »Grace, du bist nicht Clarice«, sagte er mit solch absoluter Sicherheit in der Stimme, dass Grace sich ein klein wenig beruhigte. »Da war eine Schwäche in ihr, die du nicht hast. Ich hatte den Majae-Rat gewarnt, dass Clarice mit der Gabe nicht würde umgehen können, doch sie wollten ja nicht auf mich hören. Als ich mich weigerte, das dritte Mal mit ihr zu schlafen,
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