Heißes Blut: Anthologie (German Edition)
Mädchen vergewaltigt, Alana DuVal, die Celestes Tochter und Mamma Louisas Großmutter war. Sie war erst sechzehn damals.«
»Glaubst du das?«
Er zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht, warum sie es sich ausgedacht haben sollte. Mein Urgroßvater hat es nie zugegeben, aber es auch nie abgestritten.« Eine lange Pause folgte. »Ja, ich glaube es«, sagte Samuel schließlich ernst. »Doch meine Meinung dazu spielt im Grunde keine Rolle. Celeste zumindest glaubte es und rächte die Unschuld ihrer Tochter, indem sie meinen Vorfahren und meine ganze Familie verfluchte. In jeder Generation wird ein männlicher La Roque vom Geist des loup garou ergriffen, bis keine männlichen Nachkommen mehr geboren werden.«
»Der Fluch stirbt also mit deinem Geschlecht.«
Samuel bejahte.
»Glaubst du, dass Mamma Louisa weiß, wie sich der Fluch aufheben lässt?«
»Natürlich weiß sie das – aber sie wird ihn nicht aufheben. Ich habe sie schon darum gebeten, das kannst du mir glauben.«
»Dann willst du dich ja doch von diesem Fluch befreien.« Samuel warf ihr einen Blick zu. »Du sagst, du hättest sie darum gebeten«, fuhr Jenny hastig fort. »Also willst du ihn loswerden.«
»Zu Anfang dachte ich, der Fluch bedeutete das Ende meines Lebens. Ich hasste ihn und wehrte mich dagegen. Ich tobte wie ein Wilder und kämpfte mit aller Kraft dagegen an. Mit der Zeit lernte ich jedoch, damit zu leben. Und nach noch längerer Zeit begann ich einzusehen, dass … all das gar nicht mal so schlecht war. Ich lernte es sogar zu akzeptieren.«
»Aber vielleicht musst du das ja gar nicht.«
»Es macht nun einen Teil meines Wesens aus, Jenny.« Er stieg aus dem Bett und entfernte sich ein paar Schritte, um sich dann plötzlich wieder umzudrehen. »Es hat mich unter anderem zu einem besseren Arzt gemacht.«
Jenny runzelte die Stirn. »Inwiefern?«
»Ich weiß nicht. Vielleicht der schärferen Sinne wegen. Der besseren Instinkte. Ich kann schon sagen, welche Art von Problem ein Patient hat, bevor ich die nötigen Untersuchungen vorgenommen habe, um die Diagnose zu bestätigen. Ich erkenne potenziell tödliche Komplikationen, bevor sie eintreten, und kann sie abwenden.« Er schüttelte den Kopf. »Das will ich nicht aufgeben.«
»Und du willst natürlich auch nicht, dass jemand davon erfährt. Aber du kannst es nicht geheim halten, Samuel. Irgendwann werden die Menschen um dich herum begreifen. Wie wirst du dann damit umgehen?«
Er zuckte mit den Schultern. »Damit werde ich mich auseinandersetzen, wenn es so weit ist.«
Jenny schloss die Augen, und Samuel kam zum Bett zurück.
»Ich weiß, dass du enttäuscht bist, Jenny«, sagte er. »Mir ist bewusst, wie viel es für deine Karriere bedeuten würde, eine Fallstudie aus mir zu machen – doch für mich wäre es das Ende. Ich würde von abergläubischen Narren gejagt werden, die mich töten wollen, und verfolgt von Wissenschaftlern, die mich studieren möchten. Mein Leben wäre vorbei.«
Darin konnte sie ihm nicht widersprechen. »Als ich herkam, um nach dem Geschöpf zu suchen, war ich überzeugt, dass alles, was ich finden würde – falls überhaupt –, ein Tier sein würde. Eine unbekannte Tierart. Ich habe nicht einmal eine Minute lang angenommen, dass der Mythos wahr sein könnte: dass ein menschliches Wesen seine Gestalt verändern oder gar ein Fluch der Grund dafür sein könnte. Ich habe noch nie in meinem Leben an Magie geglaubt.«
»Und jetzt, da du den lebenden Beweis dafür gesehen hast? Wird das deine Einstellung dazu ändern, Jenny?«
»Ich weiß es nicht. Ich … ich muss das alles noch einmal in Ruhe überdenken.« Sie setzte sich auf den Bettrand. »Und deshalb sollte ich jetzt besser gehen.« Jenny hüllte sich in das Laken ein, stand auf und bückte sich, um ihre Kleider aufzuheben.
»Jenny.«
Sie hielt inne, ohne Samuel anzusehen. »Ich werde es niemandem erzählen. Wenn ich meine Entscheidung getroffen habe, was zu tun ist, wirst du der Erste sein, der es erfährt. Bevor ich irgendetwas unternehme, werde ich mit dir reden, das verspreche ich dir.«
Er nickte. »Ich weiß zwar nicht, warum, aber ich glaube dir.« Dann kam er näher, ließ seine Hände über Jennys nackte Schultern gleiten und drückte sie sanft. »Doch das war es nicht, was ich sagen wollte.«
»Nein?«
»Nein.«
»Was dann?«
Er drehte sie zu sich herum. »Nur … das«, antwortete er und küsste sie langsam, zärtlich und sehr gründlich. Als ihre Lippen sich voneinander lösten,
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