Heißes Blut: Anthologie (German Edition)
wusch sie sich Mehl und Teig von den Händen und trocknete sie ab. »Hoffnung gibt es immer, ma chère . Ihr Doktor ist leider wütend fortgestürmt, als ich ihm sagte, dass ich den Fluch nicht aufheben kann. Er hat nicht gefragt, ob ich ihm anders helfen könnte. Ich denke, er will meine Hilfe nicht – und vielleicht verdient er sie auch nicht.«
Ein Hoffnungsschimmer erwachte in Jenny. »Es gibt also etwas, das Sie tun könnten?«
»Das kann ich nicht sagen, bevor ich es versuche. Doch das werde ich nicht, solange er sich nicht entschuldigt und mich anständig darum bittet.«
»Das klingt vernünftig, finde ich.«
»Dieser sture Mann ist aber offensichtlich anderer Meinung«, entgegnete sie schulterzuckend. »Und selbst wenn er es täte, weiß ich nicht, ob ich ihm helfen kann.«
»Doch Sie würden es versuchen?«
»Wenn er sich entschuldigt, ja. Mehr kann ich nicht tun.«
»Das genügt. Das muss es«, sagte Jenny.
Jenny versuchte dreimal, Samuel anzurufen, erhielt von der Sprechstundenhilfe aber immer nur die Antwort, er sei mit Patienten beschäftigt und könne den Anruf nicht entgegennehmen. Schließlich fuhr sie zu seiner Praxis, doch ein Blick in das überfüllte Wartezimmer genügte, um sie von ihrem Vorhaben abzubringen. Es war gerammelt voll mit schniefenden Kindern und hustenden und schnaufenden Erwachsenen. Sie wollte gerade wieder gehen, als Samuel aus dem Untersuchungszimmer kam, sie entdeckte und sie zu sich winkte.
Durch die bis zur Tür stehenden Patienten bahnte sie sich einen Weg zu ihm und fragte sich, warum es sie mit solch freudiger Erregung erfüllte, Samuel wiederzusehen. »Ich kann sehen, dass du beschäftigt bist«, sagte sie, »und will nicht stören.«
»Ein paar Minuten kann ich mir nehmen«, entgegnete er lächelnd. »Ich wusste, dass du hier warst – ich habe dich gespürt. Deshalb bin ich herausgekommen.« Er wandte sich an die Sprechstundenhilfe. »Eine Sekunde nur«, bat er. »Sally, bring Mrs. Finny in Raum eins und sag ihr, dass ich gleich bei ihr sein werde.« Dann nahm er Jennys Arm und führte sie auf einen Gang hinaus, an dessen Ende sich ein kleiner Raum befand, in dem der Schreibtisch fast wie ein nachträglicher Einfall wirkte neben den bequemen Sesseln, dem Tisch und der Kaffeemaschine.
Jenny trat vor Samuel ein, setzte sich aber nicht, sondern drehte sich zu ihm herum. Kaum hatte er die Tür hinter sich zugezogen, sagte sie: »Ich habe all meine Dateien gelöscht und werde … der Sache nicht weiter nachgehen. Nicht auf wissenschaftlicher Ebene jedenfalls.«
Samuel runzelte die Stirn und sah ihr prüfend und ein bisschen misstrauisch ins Gesicht. »Aber weitermachen wirst du.«
»Nicht, wenn du Nein sagst. Doch ich glaube, ich kann dir helfen, Samuel. Ich habe mit Mamma Louisa gesprochen, und sie …«
»Mamma Louisa wird mir nicht helfen. Das habe ich dir doch schon gesagt.«
Jenny schüttelte den Kopf. »Du hast sie gebeten, dich von dem Fluch zu befreien, nicht, dir zu helfen. Und sie hat dir gesagt, dass sie es nicht kann, aber nicht, dass sie es nicht versuchen würde.«
Sein Stirnrunzeln vertiefte sich. »Hat sie sich dir gegenüber anders geäußert?«
»Ja. Sie sagte, den Fluch hätte nur Celeste aufheben können, doch vielleicht könnte sie etwas tun, um dir zu helfen.«
»In welcher Weise helfen?«
»Das weiß ich nicht, Mamma Louisa ist nicht genauer geworden. Sie ist sich nicht mal sicher, dass sie es kann, aber sie ist bereit, es zu versuchen.« Jenny zuckte mit den Schultern. »Vorausgesetzt, du entschuldigst dich bei ihr für deinen Wutausbruch und bittest sie sehr nett darum.«
Für einen Moment wirkte er verärgert, und Jenny legte schnell beruhigend die Hand auf seine Schulter. »Nicht sie war es, die deine Familie mit dem Fluch belegt hat. Du kannst ihr genauso wenig die Schuld daran geben, wie sie dich verantwortlich machen kann für das, was dein Urgroßvater Alana DuVal angetan hat.«
Seine Gesichtszüge entspannten sich ein wenig. »Ja. Du hast recht. Und ich bin tatsächlich eingeschnappt davongestürmt, als sie sagte, sie könne mir nicht helfen. Seitdem habe ich nie wieder mit ihr gesprochen.« Er verzog das Gesicht. »Seit zwei Jahren nicht mehr, Jenny.«
»Dann wird es Zeit, damit wieder anzufangen und euch zumindest wieder zu vertragen.«
»Na schön.« Samuel seufzte. »Ich habe nachgedacht … vor allem darüber, dass ich dir gesagt habe, ich wolle keine Heilung.« Er wandte sich ab und fuhr sich mit der Hand durchs
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