Heißes Blut: Anthologie (German Edition)
mein Leben .«
Sie senkte den Kopf, zog die Knie an ihre Brust und schlang die Arme um die Beine. »Wenn du nicht bei meinen Forschungen mitarbeitest, wie kannst du dann jemals hoffen, ein Heilmittel zu finden?«
»Wer sagt, dass ich ein solches Mittel will? «
Sie starrte ihn aus großen Augen an. »Du willst es nicht?«
Mit einem seltsamen, nach innen gerichteten Blick schwieg er einen Moment.
»Samuel?«
»Ich weiß es nicht. Ich … ich weiß es einfach nicht, okay?«
»Mein Gott, Samuel, wie könntest du auch nur daran denken , so zu bleiben, wenn es sich ändern ließe?«
Er schüttelte den Kopf. »Und wie könnte ich das nicht? Sieh mich doch an, Jenny. Meine Sinne sind schärfer, als sie es je gewesen sind. Schärfer, als sie es jemals sein könnten, hätte der Familienfluch nicht seinen Weg zu mir gefunden. Bevor die Verwandlungen begannen, war ich … lebte ich kaum und wandelte in einer Art selbstzufriedener Betäubung durch das Leben. Heute erlebe ich alles und spüre alles.«
Seine Augen sprühten förmlich, als er darüber sprach. Jenny konnte es nicht glauben, ja hatte nicht einmal in Betracht gezogen, dass er diesem Leiden etwas Positives abgewinnen könnte. »Hast du die Kontrolle über das, was du tust, wenn du … dich verwandelst?«
Samuel senkte den Blick. »Ich weiß es nicht. Danach fällt es mir schwer, mich an das zu erinnern, was ich getan habe. Aber glaub nicht, ich hielte nicht nach Anzeichen Ausschau. Es hat keine unerklärlichen Verletzungen gegeben, keine gewaltsamen Tode, und niemand hat Anzeige wegen irgendwelcher Angriffe erstattet. Ich kann nur annehmen, dass ich nicht einmal als Wolf dazu imstande bin, einem anderen menschlichen Wesen etwas anzutun.«
»Du willst es glauben, doch du weißt es nicht mit Sicherheit.«
Mit einem tief empfundenen Seufzer räumte er das ein. Dann erhob er wieder den Blick zu ihr. »Ich hätte dich verletzen können in jener Nacht dort auf der Straße. Aber ich habe es nicht getan.«
»Dann zählen die Kratzer an meiner Brust wohl nicht?«
»Ich kann nicht glauben, dass es meine Absicht war, dir wehzutun. Nicht dir, Jenny.« Er machte einen halbherzigen Versuch zu lächeln. »Vielleicht wollte ich dir ja nur die Bluse ausziehen.«
Der Scherz kam bei ihr nicht an. »Tut mir leid, Samuel, aber darüber kann ich nicht lachen. Du bist mir gestern Nacht im Wald gefolgt. Wäre Mamma Louisa nicht gerade noch im rechten Moment gekommen – ich weiß nicht, was passiert wäre.«
»Mamma Louisa?« Jenny entging nicht die Veränderung in seinem Ton, als er den Namen der Frau wiederholte. Er klang … verärgert. »Erzähl mir, was geschehen ist!«, bat er.
»Ich war hingefallen. Du – oder vielmehr der Wolf – kauerte sprungbereit vor mir, als wollte er mich angreifen. Er fletschte die Zähne, seine Nackenhaare waren gesträubt, und er knurrte. Er wirkte überhaupt nicht freundlich, Samuel. Nicht wie …« Sie senkte den Blick zu Boden, wo Mojo auf einem Flickenteppich lag und schlief. »Nicht wie Mojo. Ich war sicher, dass mein letztes Stündchen geschlagen hatte.«
»Aber der Wolf hat dir nichts angetan. Ich habe dir nichts angetan.«
Sie nickte und musste einräumen, dass das stimmte.
»Und was geschah danach?«
»Mamma Louisa sagte etwas – es war irgendeine Art Beschwörung oder so etwas –, schwenkte ihren kleinen roten Gris-Gris-Beutel, und der Wolf rannte davon.«
Samuel seufzte und schüttelte den Kopf. »Wie paradox, dass ausgerechnet sie es war, die half.«
»Wieso? Was willst du damit sagen?«, fragte Jenny irritiert.
Als Samuel nicht antwortete, legte sie eine Hand an sein Gesicht und drehte es sanft zu sich herum. »Was hat Mamma Louisa damit zu tun, Samuel?«
»Alles. Es war ihre Familie, die die meine mit diesem Fluch belegte. Ihre Urgroßmutter begann damit, sich mit Voodoo-Magie an meinem Urgroßvater zu rächen.«
»Rächen?«
Samuel nickte. »Gott weiß, dass er es sich selbst zu verdanken hatte, falls er … getan hatte, was ihre Familie von ihm behauptete. Mein Urgroßvater, Becket Branson La Roque, war damals der Besitzer der Plantage. Er hatte sie von der Familie seiner Mutter, den Bransons, geerbt. Mamma Louisas Familie, die DuVals, arbeiteten für ihn, wie sie auch schon für die Familie seiner Mutter gearbeitet hatten. Ihre Urgroßmutter, Celeste, war damals die Matriarchin des Clans, und sie war auch Voodoo-Priesterin.«
Jenny nickte und lauschte fasziniert.
»Sie sagten, mein Urgroßvater hätte ein
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