Heißes Eis
ausgehungert bin. Nach dem Essen lege ich mich erschöpft ins Gras, genieße den frischen Luftzug auf meiner erhitzen Haut und lausche dem Zirpen der Grillen. Kurz darauf schlafe ich ein.
***
Als ich die Lider öffne, treffe ich direkt Bens Blick und fahre erschrocken hoch. Hat er mich etwa beobachtet? Ich reibe mir verschlafen die Augen und strecke mich. Mein Kopf brummt etwas. So richtig erholt fühle ich mich nicht, außerdem hat das Gras ein unschönes Druckmuster auf meiner Haut hinterlassen. Ich reibe mir Erde und Grasreste von Armen und Beinen und sehe wieder zu Ben, der mir zulächelt.
«Wie lange habe ich geschlafen?», frage ich.
«Vier Stunden. Es ist schon später Nachmittag!»
«Was, so spät! Warum hast du mich nicht geweckt?»
«Ich habe auch etwas geschlafen, nur nicht so lange. Außerdem ist Schlafen das beste, was man bei dieser Hitze tun kann.»
«Und … was hast du dann die ganze Zeit über gemacht, als ich geschlafen habe und du wach warst?»
«Ach, ich habe ein bisschen gedöst und mir die Landschaft angesehen!»
Sein anzügliches Grinsen verrät mir, dass er mit der Landschaft nicht nur die Umgebung meinte.
Hör auf, Ben, das geht so nicht! , denke ich, aber ich schweige, um das Thema nicht noch unnötig aufzubauschen.
Plötzlich bewegt sich etwas langes dünnes direkt vor mir im Gras und ich springe schreiend auf die Füße.
«Keine Angst, die ist harmlos!», versucht mich Ben zu beruhigen.
Das Ding schlängelt sich ganz nah an Ben vorbei und er schaut ihm nach.
«Was war das?»
«Nur eine Schlange!»
«Nur eine Schlange!», äffe ich ihn bittersüß nach. «Und wenn sie mich gebissen hätte?», schimpfe ich wütend.
«Ich habe doch gesagt, sie ist harmlos. Hier kriechen mehrere davon herum und jagen nach Mäusen und Vögeln.»
«Was? Ich schlafe hier die ganze Zeit seelenruhig, während mich eine Horde Schlangen auf der Jagd umkreist?», rufe ich fassungslos.
«Hast du etwa Angst vor Schlangen?»
Sein belustigtes Grinsen bringt mich zusätzlich auf die Palme.
«Wer hat das nicht! Sie sind glitschig, eklig und giftig!»
«Das stimmt bei diesen hier in keinem einzigen der drei Punkte. Ich beweise es dir!»
Er steht wild entschlossen auf und läuft in die Richtung, in der die Schlange verschwunden ist.
«He, Ben, was hast du vor?»
Aber ich ahne bereits, was er plant. Ich packe hastig alle meine Sachen in den Rucksack und tapse vorsichtig hinter ihm her, nicht ohne den Boden millimetergenau nach möglichen Schlangen abzuscannen. Ich halte wieder nach Ben Ausschau aber von ihm fehlt jede Spur. Na, das kann ja heiter werden - ein Ausflug mit Schlangenjagd!
Etwa zehn Minuten verstreichen, bis Ben hinter einem Steinhaufen auftaucht. In seinen Händen hält er tatsächlich ein grauenhaftes Untier von etwa einem Meter Länge. Ich weiche unwillkürlich zurück.
«Komm bloß nicht näher, Ben!», schreie ich.
«Sei nicht albern, Sanne! Die Schlange kann dir überhaupt nichts tun! Und ich halte sie ganz fest, OK?»
Ben steigt über den Steinhaufen und rückt mit dem Vieh in den Händen näher. Die Schlange versucht permanent, sich aus seinem Griff herauszuwinden, dabei faucht sie mit weit geöffnetem Maul, aus dem eine schwarze, gespaltene Zunge ragt. Ich stehe wie versteinert da und beobachte Ben mit weit aufgerissenen Augen. Neben der Angst vor dem Tier und der Wut darüber, dass Ben mich damit konfrontiert, macht sich jedoch auch ein Gefühl der Bewunderung breit, wie schnell Ben die wilde Schlange gefangen hat und wie verwegen er sie hinter ihrem Kopf fest hält.
Ben bleibt etwa einen Meter entfernt von mir stehen. Ich kann das Tier nun genau betrachten. Es hat glasige Augen mit schwarzen, runden Pupillen. Auch die Hautschuppen glänzen ledern.
«Du darfst sie anfassen!»
«Nie im Leben!»
«Warum denn nicht?»
«Sie ist glitschig und eklig!»
«Aber wie willst du das wissen, wenn du es nicht einmal ausprobierst? Glitschig ist sie jedenfalls überhaupt nicht, du verwechselst das mit einem Frosch, aber die Schlange ist ein Reptil, keine Amphibie und auch kein Fisch. Es ist übrigens eine Treppennatter, die sind sehr häufig auf der Iberischen Halbinsel.»
«Aha, Mister 'Ich-weiß-mal-wieder-alles-besser'!»
«Komm schon, trau dich! Sonst lege ich sie dir um den Hals!»
«Das wagst du nicht!», erwidere ich und hoffe inständig, damit Recht zu behalten.
«Lass es lieber nicht drauf ankommen!», droht Ben und ich bin mir nicht mehr ganz sicher, ob sein
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