Heißes Geld
verlieren?«
»Ich habe schon öfter verloren«, entgegnete Puccini. »Aber manchmal habe ich auch gewonnen.«
Nareike ging an die Rezeption und verlangte die Rechnung. Wie in allen besseren Häusern lag sie parat. »Können Sie mir ein Hotel in Locarno empfehlen?« fragte er den Hotelbediensteten.
»Aber ja, mein Herr. Wenn Sie wollen, machen wir Ihnen die Reservierung. Das ›La Palma‹ ist ganz ausgezeichnet, auch das ›Reber‹ hat einen guten Ruf. Wenn Sie in Ascona Quartier beziehen wollen, würde ich Ihnen das ›Europe‹ empfehlen. Alle Hotels sind erstklassig und liegen direkt am See. Da Hochsaison ist, sollten Sie wirklich auf die Reservierung nicht verzichten.«
»Das ›La Palma‹«, entschied Nareike. »Bitte zwei nebeneinander liegende Apartments.«
Es verdüsterte seine Stimmung, daß er seine Witwe durch einen weiteren Hinhalteanruf bei Laune halten mußte. Der internationale Selbstwählverkehr sollte demnächst eingeführt werden. Nareike mußte, um seinen Standort zu verschleiern, wieder von einem Postamt aus die Handvermittlung bemühen. Heute morgen hatte er über 20 Minuten auf die Verbindung warten müssen, und Zeit war sein Problem. Er überlegte, ob er es nicht ein einziges Mal riskieren könnte, vom Hotel aus anzurufen. Er wußte, daß es falsch wäre, deshalb fiel es ihm auch nicht leicht, aber vielleicht gab den Ausschlag, daß Sabine mit dem Jungen auf der Terrasse saß, den Frauenkenner Nareike für einen mit allen Wassern gewaschenen Gigolo hielt, und ein solcher müßte eine umwerfende Wirkung auf eine eigentlich unerfahrene 29jährige haben.
Er wandte sich noch einmal an den Rezeptionisten: »Ich hätte gerne eine Verbindung mit München«, sagte er und nannte die Nummer des Hotel ›Regina‹.
»Wird sofort erledigt, Herr Nareike. Soll ich Ihnen das Gespräch aufs Zimmer legen?«
»Nein. Ich warte hier.«
»Es kann aber länger dauern«, erwiderte der Mann.
»Melden Sie den Anruf bitte als ›dringend‹ an.«
Es verkürzte die Wartezeit auf sieben Minuten. Der Rezeptionist gab Nareike einen Wink, er ging in die Kabine, hob ab.
»Hotel ›Regina‹«, meldete sich eine helle Stimme.
»Verbinden Sie mich bitte mit dem Apartment 111«, bat der Anrufer aus Zürich, ohne einen Namen zu nennen. Er lächelte, weil es soreibungslos klappte, wischte sich den Schweiß von der Stirne, in der engen Kabine würde auch ein Mann schwitzen, der einen weniger lästigen Anruf hinter sich bringen müßte.
»Einen Moment, bitte«, sagte die Telefonistin und schaltete das Tonbandgerät ein, schrieb auf einen Zettel ›Baur au lac‹, Zürich, und gab ihrer Kollegin ein Zeichen, den Kriminalinspektor a.D. herbeizurufen. Aber Vollmer stand bereits hinter ihr und hatte sich den zweiten Kopfhörer aufgesetzt, um das Gespräch auch direkt mitzuhören: »Sie wollten das Apartment 111«, wiederholte sie dann in die Muschel. »Bitte noch einen Moment Geduld.« Die Telefonistin drehte sich um, sah, daß ihr Vollmer lobend zulächelte und stellte dann die Verbindung mit der Luxussuite des Hauses her.
Hannelore Linsenbusch hatte wieder begonnen, die Minuten zu zählen, wie ein Häftling am Vorabend seiner Entlassung – und eine Gefangene der Luxussuite 111 war sie , da sie des Telefons wegen nicht wagte, das Apartment zu verlassen. Für die Einsame war die Zeit stehen geblieben wie eine verstopfte Sanduhr. Auf dem Nachttisch sah sie Horst jr. mit den Augen seines Vaters an und sie sagte sich, daß der Junge, so er noch lebte, heute bereits 32 Jahre alt wäre und sicher verheiratet; womöglich hätte er sie bereits zur Großmutter gemacht.
Hannelore hatte ihren Sohn unter großen Schwierigkeiten geboren, und nach Komplikationen bei der Entbindung war es ihr versagt geblieben, in der Zeit, da Kinder nationale Pflicht waren, weiterhin ihre Frau zu stellen, gleich ihrer Mutter, die auch nur eine Tochter zur Welt hatte bringen können. Überhaupt schien sich bei Hannelore in gespenstischer Weise das Schicksal ihrer Mutter zu wiederholen: Beide hatten Sie nur einen Mann gekannt und geliebt, aber während Mama an ihm zugrunde gegangen war, würde sie nunmehr trotz allem mit Horst noch glücklich werden, unerwartet, doch nicht unverdient.
Obwohl sie seinen Anruf herbeisehnte, war Hannelore so in Gedanken und Erinnerungen verstrickt, daß sie das Klingelzeichen zunächst überhört hatte.
Dann jagte sie ans Telefon, nahm den Hörer ab:
»Ja«, sagte sie.
»Ich«, erwiderte er. »Wie fühlen wir
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