Heisses Gold im Silbersee - Duell im Morgengrauen - Schüsse aus der Rosenhecke
Schoko überzogen. Soweit habt ihr mich schon gebracht mit eurer
ewigen Kritik. Ich höhle mein Schoko-Bedürfnis aus, indem ich den Kern der
Kakao-Masse durch Früchte ersetze.“
„Ist ja die
reinste Diät“, frotzelte Gaby. „Ich ahne schon, wie deine Pfunde schwinden und
du bald wie ein ganz normaler Junge aussiehst.“
„Ist aber
überhaupt nicht mein Ziel“, gab er zurück.
„Unser
derzeitiges Ziel“, sagte Tim, „ist Theo Gräbigs Adresse. Können wir jetzt
weiterfahren?“
Es war
nicht mehr weit.
Fünf
Minuten später standen sie in einer Mietskaserne vor der zweiten
Parterre-Wohnung rechts.
Hertha
Gräbig wohnte hier, wie das Türschild verriet.
Vermutlich
die Mutter, dachte Tim.
Er
klingelte.
Eine
ältliche Frau öffnete.
Vielleicht
war sie noch gar nicht so alt. Aber sie wirkte verhärmt, hatte ein müdes
Gesicht und graues Haar.
Ihre Haltung
drückte aus, daß sie an nichts mehr Freude hatte.
„Tag, Frau
Gräbig“, sagte Tim. „Ist der Theo da?“
„Nein. Er
arbeitet.“
„Natürlich.
Ganz vergessen. Wo denn?“
„In der
Achenfeldstraße, bei Direktor Preissler — oder so ähnlich. Den genauen Namen
weiß ich nicht. Aber er sagte - Theo, meine ich — sagte, daß er nicht mehr
genug Material hat. Für heute reicht’s wohl noch. Aber nicht mehr für morgen.
Bringt ihr die Farbe? Dann könnt ihr sie in den Keller stellen, in Theos
Hobbyraum, ja?“
Tim
lächelte wie eine Ferienpostkarte.
„Erraten,
Frau Gräbig. Wir bringen die Farbe. Ist der Hobbyraum offen?“
„Nie.
Wartet, ich hole den Schlüssel.“
Sie drehte
sich um und schlurfte in die Küche, wo sich offenbar der Schlüssel befand.
Tim stieß
Karl und Klößchen an.
„Ihr“,
raunte er, „holt die Farbe, sobald ich euch auffordere. Das heißt, ihr
verdrückt euch. Samt der Räder. Bis zur Straßenecke und außer Sicht. Pfote und
ich beäugen den Hobby... Ah, Frau Gräbig“, wandte er sich in normaler
Lautstärke an die trostlose Gestalt, „da sind Sie ja schon.“ Sie nickte und
machte ein Gesicht, als hätte sie Gallenschmerzen. Dann wischte sie die Hände
an der Schürze ab, trat in den Flur und zog die Tür hinter sich zu.
Zwei
Schlüssel nahm sie aus der Schürzentasche: den der Wohnungstür und den des
Hobbyraums.
Sie
schlurfte voran.
An der
Kellertür blieb sie stehen.
„Wo habt
ihr die Farbe?“
„Lutz-Friedrich“,
sagte Tim gebieterisch, „Knut — holt die Farbe rein. Aber Vorsicht! Nichts
verschütten. Sonst“, er lachte albern, „müssen wir hier noch den Boden
schrubben.“
„Zu
Befehl“, sagte Klößchen.
„Welche
zuerst?“ fragte Karl. „Die grüne oder die rote?“
„Ist doch
egal! Nun macht schon. Frau Gräbig hat noch was anderes zu tun.“
Die beiden
trollten sich.
Die Frau
stieg die Kellertreppe hinunter, gefolgt von Gaby und Tim.
Die Luft
roch säuerlich und ein bißchen nach Schimmel.
Auch im
Kellergang hing eine Hausordnung.
An der Tür
zur Waschküche hing eine Waschküchenordnung.
Ein anderes
Schild teilte mit, daß es verboten sei, den Heizungsraum zu betreten,
desgleichen den Öltank-Raum.
Theos
Hobbyraum trug die Nummer elf. Gräbig war mit fettem Filzstift an die
Stahlblechtür gekritzelt.
Die Frau
schloß auf.
Die Tür
quietschte in den Angeln.
Frau Gräbig
machte Licht, schlurfte in die Mitte des Raumes und sah sich um, als sei sie
hier zum ersten Mal.
Tim hielt
den Atem an.
Das gibt’s
nicht, dachte er.
Gaby atmete
normal.
Sie ist
handwerklich gänzlich uninteressiert — ausgenommen Kunsthandwerk. Deshalb wußte
sie nicht, was diese Geräte bedeuteten.
Aber Tim
wußte es.
„Der gute
Theo“, meinte er, „bastelt gern, nicht wahr?“
Hertha
Gräbig nickte.
„Aber es
kommt nichts dabei raus“, murrte sie. „Er hat all dieses Zeugs. Doch er denkt
gar nicht daran, mein Bügeleisen zu reparieren.“
Tim trat zu
der Werkbank.
An ihr war
ein Parallelschraubstock angebracht.
Als Geräte
lagen herum: Schlosserhammer, Feilkolben, Kreuzmeißel, Flachmeißel, Flachfeile,
Rundfeile, Windeisen, Reibahle und Schneidkluppe.
Dazwischen
breiteten sich etwa fünf Dutzend Schlüssel aus. An einigen waren Halm, Räute
oder Bart schon verrostet. Andere wirkten frisch wie Rohlinge.
Auf der
Bank des Kellerfensters lagen drei faustgroße Wachsklumpen. Schlüsselformen
waren in sie hineingedrückt.
„Wo bleiben
denn die beiden?“ fragte Hertha Gräbig.
Tim schien
aus Träumen zu erwachen.
„Um Himmels
willen! Da wird doch niemand... Wissen Sie,
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