Heisses Gold im Silbersee - Duell im Morgengrauen - Schüsse aus der Rosenhecke
jetzt? Der Himmel legt Trauer an. Nichts als
schwarze Wolken. Gewitter dräut. Odehaupt hat stadtwärts die Biege gemacht, und
in der PGS (Professor-Gerstl-Straße) gähnt die Leere. Wo sind meine
Leute?
Waren sie
zu Gaby gefahren, um dort auf ihn zu warten? Oder drang Klößchen darauf, daß
sie sich in einem Café Schokoladeneis reinzogen?
Unentschlossen,
welche Richtung er nehmen sollte, ließ er seinen Rennesel zur Umgehungsstraße
laufen. Und von dort, Terz und Terror!, kamen sie ihm entgegen: im Dreier-Pulk
mit Oskar an der Leine.
Der
gebärdete sich gleich wie im Freudentaumel — trotz seiner Verletzung; und Tim
mußte ihn erst knuddeln.
„Freunde“,
sagte er, „ihr seht so abgekämpft aus, als hättet ihr die Verfolgungsjagd
hinter euch. Aber ich bin geflitzt.“
„Was? Abgekämpft?
Von mir kannst du das nicht behaupten“, pfiff Gaby ihn an. „Ich bin taufrisch —
auch bei Hitze.“
„In erster
Linie meine ich Willi. Willi, du zerfließt.“
„Na und?“
maulte Klößchen. „Andere liegen jetzt im Schwimmbad oder wenigstens im tiefen
Keller, wo es kühl ist. Ich strampele zum Schmatz-Moor — und wieder zurück. Für
nichts. Macht unterm Strich 20 Kilometer. Meine Schokolade habe ich vergessen,
und das Mittagessen war kärglich. Wie soll der Mensch da überleben?“
„Auf der
ganzen Strecke“, sagte Karl, „hat er uns die Ohren vollgenölt. Wir haben sogar
unterwegs gerastet. Eine Schnecke, die wir längst überholt hatten, war zum
Schluß wieder vor uns. Was ist nun? Hast du den Heckenschützen erkannt,
gestellt, verdroschen? Oder wie sieht’s aus?“
„Düster.“
Tim
berichtete.
Währenddessen
radelten sie gemächlich in Richtung Hauthaler Allee.
„Also gibt
es keinen Zweifel“, beendete Tim seine Ausführungen, „daß Rothemd, der
Heckenschütze, samt Tourenrad und Donnerbüchse in einem der Häuser verschwunden
ist. Und zwar auf der Weyer-Seite. Weil dort, rückseitig, der Mühlbachweg
verläuft. Ist das verständlich?“
„Absolut“,
nickte Gaby. „Wieviel Häuser sind’s?“
„So um die
40. Das Weyer-Haus können wir abziehen — den Neffen Nante vernachlässigen. Das
heißt, um 17Uhr werden wir ihn fragen. Vielleicht kann er uns zu einer
nützlichen Auskunft verhelfen.“
„Der
Anhaltspunkte sind wenig“, Karl wiegte den Kopf. „Rotes Hemd und silbergraues
Rad. Vielleicht sollten wir’s seinlassen.“
„Niemals!“
rief Gaby. Empörung blühte auf ihren Wangen. Und die Kornblumenaugen schossen
Blitze. „Er hat auf Oskar geschossen. Das ist, als hätte er auf einen von uns
geschossen. Der Mörder!“
Tim nickte.
„Was soll diese Schlapphaltung, Karl? Wir geben niemals auf. Außerdem ist Oskar
bei uns Ehrenmitglied. Das verpflichtet.“
Sie hatten
die Kreuzung erreicht und hielten an der Ecke.
Tim fragte
seine Freundin, ob es erforderlich sei, Oskar beim Tierarzt vorzustellen.
Gaby
verneinte. Sorgsam hatte sie Oskars Hinterlaufwunde ein zweites Mal untersucht.
„Eine
richtige Wunde ist es eigentlich nicht“, sagte sie. „Kaum ein Kratzer. Der
Blutverlust beträgt drei oder vier Tropfen. Soviel verliert auch, wer vor Angst
Blut und Wasser schwitzt — wie es heißt. Das Fell wächst schnell nach.
Verwerflich ist die Absicht, die hinter der Tat steckt. Denn daß der
Mordanschlag nur zum Streifschuß geriet, liegt lediglich an der Unfähigkeit des
Schützen. Und natürlich ist Oskar auch seelisch verletzt. Deshalb bestehe ich
darauf, daß wir Rothemd finden und zur Verantwortung ziehen.“
„Richtig!“
rief Klößchen. „Aber wir tun es bitte recht langsam, ja? Wegen der Hitze.“
Tim
überlegte. Die Zeit bis 17 Uhr mußte genutzt werden. Heute war Freitag. Und an
Freitagen wurde die Arbeitsstunde in der Internatsschule locker gehandhabt — eine
neuerliche Regelung, von der noch nicht feststand, ob es dabei bleiben würde.
„Wir gehen
planmäßig vor“, sagte er. „Wir fragen in jedem Haus auf der Weyer-Seite, bis
wir auf ein silbergraues Tourenrad stoßen.“
„Und wie
begründen wir die Nachforschung?“ fragte Karl.
„Ganz
einfach!“ rief Klößchen. „Wir behaupten, wir wollten einen Verein gründen.
Einen Radsport-Verein. Aber nur wer ein silbergraues Tourenrad besitzt, darf
Mitglied werden. Deshalb führen wir eine Tür-zu-Tür-Umfrage durch und werben.“
„Solche
komischen Vereine gibt es zwar“, meinte Tim. „Aber die machen keine
Tür-zu-Tür-Umfrage mit Werbung. Wir sagen einfach, der Tourenrad-Fahrer hätte
unterwegs
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