Heisskalte Glut
nicht freiwillig
gegangen wäre. Dazu hätte er die Polizei rufen müssen, denn wenn es zu einer
körperlichen Berührung zwischen ihnen gekommen wäre, hätte er – dessen war er
sich nur zu bewußt – jegliche Kontrolle verloren.
Sie war mittlerweile eine Frau und nicht mehr
das Kind in seiner Erinnerung. Sie hatte sich immer schon von den restlichen
Devlins unterschieden, ein scheues Waldwesen, das sich zu einer ähnlichen
Herausforderung entwickelt hatte, wie es ihre Mutter gewesen war. Irgendein
Idiot jedenfalls mußte ihr verfallen sein, denn jetzt hieß sie mit
Nachnamen Hardy, war also verheiratet, obwohl sie keinen Ehering getragen
hatte. Ihre schlanken, eleganten und sehr gepflegten Hände waren ihm
aufgefallen, und es hatte ihn sogar mit hämischer Freude erfüllt, daß sie
keinen Ehering trug. Renee hatte auch keinen getragen, das hätte nicht zu ihrem
Stil gepaßt. Ihre Tochter schien das ähnlich zu sehen, zumindest wenn sie ohne
diesen unbekannten Mr. Hardy auf Reisen war.
Sie hatte wohlhabend ausgesehen, war also anscheinend wie eine
Katze auf die Füße gefallen. Es war schon immer eine der Fähigkeiten der
Devlinfrauen gewesen, daß sie jemanden fanden, der sie unterstützte. Ihr Mann,
der arme Kerl, war offenbar sehr großzügig. Er fragte sich, wie oft sie ihn
wohl zu Hause zurückließ, während sie auf Trebe ging.
Und er fragte sich, warum sie nach Prescott zurückgekehrt war. Sie
hatte niemanden mehr hier, weder Familie noch Freunde. Die Devlins hatten
keine Freunde, nur Opfer gehabt. Sie mußte gewußt haben, daß man sie hier nicht
mit offenen Armen empfangen würde. Vermutlich hatte sie angenommen, man würde
sie nicht erkennen. Aber die Leute hier hatten ein gutes Gedächtnis, und ihre
Ähnlichkeit mit ihrer Mutter stach einfach jedem ins Auge. Reuben hatte sie
sofort erkannt, als sie ihre Sonnenbrille abgenommen hatte.
Wie auch immer, er jedenfalls hatte die
Gemeinde von dem Gift der Devlins ein zweites Mal befreit. Diesmal hatte es
weitaus weniger Aufsehen erregt als vor zwölf Jahren. Er wünschte nur, daß sie
überhaupt gar nicht erst hier aufgetaucht wäre und ihn an seine unfreiwillige
Faszination erinnert hätte. Er wünschte, er hätte niemals hören müssen, wie sie
mit dieser ruhigen, leisen Stimme 'danke' gesagt hatte.
Faith fuhr immer weiter die dunkle Straße entlang und gestattete sich
keinen Halt, obwohl sie am ganzen Körper zitterte. Sie wollte verhindern, daß ihre Gefühle die Oberhand über sie gewannen. Sie
hatte Gray Rouillards Einschätzung ihrer selbst nur zu deutlich erfahren müssen
und sich bereits vor Jahren mit dem Schock und dem Schmerz auseinandergesetzt.
Sie würde sich nicht ein weiteres Mal von ihm verletzen oder vereinnahmen
lassen. Sie hatte keine andere Wahl gehabt, als das Motel zu verlassen. Denn in
seinem Blick hatte sie rücksichtslose Entschlossenheit gesehen und gewußt, daß
er nicht bluffte, sondern es ernst meinte. Warum sollte er jetzt zurückschrecken,
wenn er nicht davor zurückgeschreckt war, ihre ganze Familie zu vertreiben?
Ihre kühle Nachgiebigkeit jedoch hieß nicht, daß er gewonnen hatte. Die Drohung
mit der Polizei hatte sie nicht eingeschüchtert. Was sie jedoch sowohl wütend
machte als auch ängstigte, war ihre eigene Reaktion auf Gray. Selbst nach all
den Jahren und nach dem, was er ihrer Familie angetan hatte, fühlte sie sich
ihm wie ein Pawlowscher Hund ausgeliefert. Es war zum Verzweifeln. Sie hatte
sich nicht ihr ganzes Leben aufgebaut, damit er sie wie Dreck behandelte, den
man so schnell wie möglich beseitigen mußte.
Die Zeiten, in denen sie sich einschüchtern
ließ, waren vorbei. Das stille, verletzliche Kind von einst war in einer
heißen Sommernacht gestorben. Faith war auch heute noch eine ziemlich ruhige
Person, aber sie hatte gelernt, ihre eiserne Willenskraft einzusetzen. Sie war
sogar selbstbewußt genug, um gelegentlich ihr feuriges Temperament spielen zu
lassen. Wenn er sie wirklich hatte los sein wollen, dann hatte Gray den Fehler
begangen, die Sache zu sehr zu forcieren. Schon bald würde er merken, daß ihr
Rückzug lediglich bedeutete, daß sie ihren Angriff aus einer anderen Richtung
vorbereitete.
Sie würde ihn nicht noch einmal davonkommen lassen. Es war nicht
nur eine Sache der Ehre, sie wollte schließlich immer noch herausfinden, was
mit Guy passiert war. Dieser Gedanke ging ihr nicht aus dem Kopf.
Ihr aktives Gehirn arbeitete einen Plan aus,
und ein Lächeln huschte über ihre Lippen. Sie
Weitere Kostenlose Bücher