Heiter. Weiter.
Wochenende. Lachen: sympathische Laute sympathischer Leute. Keine Dummschwätzer - ich verstehe ja die Sprache nicht. So wird das Stimmengewirr zur angenehmen Melodie, meiner kleinen Nachtmusik.
Äußere und innere Wanderungen sind miteinander verbunden
Ich benötigte ein paar Tage, bis sich mein Weitwander-Rhythmus eingestellt hatte. Es dauert täglich zwei, drei Stunden, bis ich beim Gehen abschalten kann. Mittlerweile ist der tägliche Aufbruch Routine. In Cublize musste ich nichts bezahlen, niemand kam zum Kassieren vorbei.
Auf dem Fahrradstreifen komme ich gut voran. Sorgen macht mir mein Schuhwerk. Ich muss meine Wanderschuhe in absehbarer Zeit besohlen lassen. 2004 hatten meine Sohlen bis in die Pyrenäen hinein gehalten, in Pamplona ließ ich sie dann erneuern. In diesem Jahr bin ich mit zwar gut eingelaufenen, aber doch nagelneuen Schuhen des gleichen Herstellers (Meindl) und auch gleichen Modells (Sasel) erst bis hierher gekommen -die Profile sind bereits am verschwinden. Was ist denn da passiert? Verwenden die jetzt schlechteres Material? Montagsproduktion?
In Amplepuis gibt es einen Schuster. Das würde aber bedeuten, dass ich hier meine Tagesetappe beenden müsste. Ich aber will weiter, viel weiter. Es werden sich unterwegs noch mehr Schuhmacher finden lassen.
Die Menschen sind liebenswert. Nach dem innerörtlichen Aufstieg in Fourneaux zur „Boule-Bar“ waren dort Wirt, Tochter sowie Mitgäste sehr bemüht um mich und begeistert von der bisher zurückgelegten Wanderstrecke. Ich habe mir fest vorgenommen, hierher wiederzukommen.
In Croizet-sur-Gand genieße ich die Stille der Kirche. Die äußere Wanderung ist mit der inneren Wanderung verbunden. Moses, Jesus, Mohammed, Buddha - sie alle sind gewandert. Der Mensch weiß, dass er nicht ewig ist auf Erden. Ich bin dann mal weg -aber wohin geht diese letzte Reise? Ich bin dann mal weg - für immer.
In Neulise kaufe ich mein Abendessen ein. Ich bin mir nicht sicher, ob es im Übernachtungsort den Laden noch gibt, ob er am Samstagabend geöffnet hat. Schwer bepackt begebe ich mich hinunter nach Saint-Jodard.
Schnell ist mein Zelt aufgebaut, schnell bin ich geduscht. Der Campingplatz ist einer der einfacheren: Wiese, WC, Dusche, Raum zum Wäschewaschen und Geschirrspülen - mehr ist auch gar nicht notwendig. Ich habe mich fein gemacht, denn heute findet das große Dorffest statt.
Im Festzelt hat der Bürgermeister seine Ansprache beendet, jetzt geht es endlich an die heißgeliebten „moules frites“ - Muschel mit Pommes also. Die beachtliche Portion in der Plastikschale kostet elf Euro, dazu reicht man eine schmelzkäseartige Ecke im ungefähr gleichen Format, jedoch in anderer Konsistenz, ein Stückchen Kuchen - alles recht lieb- und geschmacklos. Vor dem Restaurant wird im Freien gekocht, zu teuer sicherlich für einen Wanderer. Das Fest ist langweilig, die Besucher sind es auch. Ich bin grantig. Ich will plötzlich nur noch heim ins Zelt.
Der Regen kann klatschen wie er will, mein Zelt hält dicht
Seit den frühen Morgenstunden regnet es. Vereinzelte Tropfen auf das Zelt ließen mich aufwachen. Ich schlafe weiter. Wieder Tropfenklopfen, wieder wach. Die Tropfen waren nur die Einleitung. Ihr folgt ein Geprassel im flotten Rhythmus. Dann adagio. Hoffnung. Smorzando. Peitschenknalliger Donnerschlag, die Wassermusik beginnt erneut. Die Tropfensalven trommeln mir den Marsch, unermüdlich. Forte. Tropfentrommel, vivacissimo. Leise Töne jetzt. Doch der Regen will nicht enden. Keine Hoffnung auf Besserung. Das Geprassel wird unterbrochen von einem gern gehörten Zwischenton: Ich habe eine Flasche entkorkt. Mein Zelt ein Wein-Zelt! Käse. Brot. Zum Nachtisch reiche ich mir eine Aprikose. Mein Zelt wird zum Ort der Völlerei. Die Tropfen bekleiden meine Mahlzeit mit desillusionierender Tafelmusik.
Dann erklingen unterschiedliche Melodien, unterschiedliche Rhythmen. Fortepiano. Der Himmel öffnet jetzt die bisher verschlossenen Schleusen und Schläuche. Ich öffne geräuschlos die Notdose mit den Ölsardinen. Der Regen trommelt ungeduldig mit den Fingern. Soll ich etwa im Regen das Zelt abbauen und aufbrechen? Unerbittlich mahnt der Glockenschlag der nahen Kirche, wie schnell die Stunden des geplanten Wandertages verrinnen. Erfreulich: Der Regen kann klatschen wie er will, mein Zelt hält dicht.
Längst ist mir klar geworden, das wird ein weiterer Tag in Saint-Jodard, ein Ruhetag. Zwangsurlaub, ich muss mich damit abfinden. Gut, auf einen Tag kommt
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