Held von Garathorm
Hawkmoon zögerte. „Vielleicht nicht völlig", gestand er. „Ich möchte meine Theorie erproben und erfahren, ob Yisselda noch lebt, und ob ich sie retten kann."
„Dann bringe ich Euch in die Bulgarberge." Katinka van Bak lächelte trocken. „Ich traue niemandem, der behauptet, völlig selbstlos zu handeln, aber das ist ja bei Euch nicht der Fall."
„Ja, ich glaube, Ihr könnt mir ruhig vertrauen", murmelte Hawkmoon.
„Ich sehe allerdings ein Problem", fuhr die Kriegerin offen fort. „Ich bin mir nicht sicher, ob Ihr bei Eurem gegenwärtigen Gesundheitszustand die Reise überstehen werdet." Sie griff nach ihm und befingerte seinen Arm wie eine Bäuerin, die auf dem Markt eine Gans kaufen will. „Ihr müßt erst wieder ein bißchen Fleisch auf die Knochen bekommen. Vor einer Woche breche ich keinesfalls mit Euch auf. Seht zu, daß Ihr etwas Ordentliches in den Magen kriegt. Macht Ertüchtigungsübungen. Reitet. Und wir werden ein paar Probekämpfe miteinander versuchen."
Hawkmoon lächelte. „Ich bin froh, daß Ihr mir wohlgesinnt seid, meine Lady, sonst würde ich es mir gründlich überlegen, ehe ich auf Euren letzten Vorschlag einginge."
Da warf Katinka van Bak ihren Kopf zurück und lachte herzhaft.
5.
EIN ZWIESPÄLTIGER RITT
Jeder Knochen schmerzte Hawkmoon. Er gab kein gerade imposantes Bild ab, als er in den Hof hinausstolperte, wo Katinka van Bak bereits auf einem feurigen Hengst wartete, dessen Atem in der kalten Morgenluft weiße Wölkchen bildete. Hawkmoons Pferd war ein gesetzteres Tier und bekannt für seine Ausdauer und Verläßlichkeit. Trotzdem sah Hawkmoon diesem Ritt nicht gerade voll Erwartung entgegen. Sein Magen hatte sich verkrampft, er fühlte sich schwindelig, seine Beine waren weich wie Gummi. Und das, obwohl er eine Woche fleißiger Körperübungen und kräftigenden Essens hinter sich hatte. Er sah ein wenig besser aus und sauberer auch, aber er war nicht lange nicht wieder jener Runenstabheld, der vor sieben Jahren Londra erobert hatte. Er fröstelte, denn der Winter zog in die Kamarg ein. Enger wickelte er sich in den festen Lederumhang, der dick gefüttert und fast zu warm war, wenn er ihn schloß. Und schwer war, so schwer, daß er ihn beim Gehen schier zu Boden drückte. Er trug keine Waffen. Sein Schwert und seine Flammenlanze steckten bereits in ihren Hüllen am Sattel. Unter dem Umhang war er in ein dickes, gestepptes rotes Wams gekleidet, eine weiche Hirschlederhose, die Yisselda einst für ihn bestickt hatte, und kniehohe Stiefel aus festem, glänzendem Leder. Den Kopf schützte ein einfacher Helm, aber auf den Rest der Rüstung hatte er verzichtet, denn er fühlte sich noch zu schwach, sie zu tragen. Hawkmoon war immer noch nicht gesund, weder physisch noch psychisch. Nicht sein Ekel über das, was aus ihm geworden war, hatte ihn dazu getrieben, in dieser einen Woche etwas für seine Gesundheit zu tun - sondern sein irrer Glaube, er würde Yisselda lebendig in den Bulgarbergen finden.
Mühsam gelang es ihm, aufs Pferd zu steigen. Dann verabschiedete er sich von der Dienerschaft, ohne daran zu denken, daß Graf Brass ihm die Verantwortung über Burg und Provinz während seiner Abwesenheit übertragen hatte. Er folgte Katinka van Bak aus dem Tor und hinunter durch die leeren Straßen von Aigues-Mortes. Niemand stand am Straßenrand, um ihm Glück zu wünschen, denn niemand, außer dem Gesinde auf der Burg, wußte, daß er die Kamarg verließ, um in den Osten zu ziehen.
Gegen Mittag hatten die beiden Reiter das sich im Wind neigende Rohr, die Marschen und Lagunen hinter sich. Sie folgten einer breiten weißen Straße, vorbei an den gewaltigen steinernen Türmen an den Grenzen des Landes, dessen Lordhüter Graf Brass war.
Bereits jetzt bedauerte Hawkmoon, mitgekommen zu sein, denn obwohl sie durchaus noch keine große Strecke hinter sich gelegt hatten, war er erschöpft vom Reiten. Seine Arme, mit denen er sich am Sattelknauf festhielt, schmerzten kaum weniger als seine Schenkel, und seine Beine waren völlig gefühllos. Katinka van Bak dagegen schien frisch wie am Morgen zu sein. Hin und wieder hielt sie ihren Hengst an, damit Hawkmoon aufholen möge, aber seinen Vorschlägen, eine Rast zu machen, verschloß sie die Ohren. Hawkmoon fragte sich, ob er diese Reise durchhalten konnte oder ob er nicht bereits auf dem Weg zu den Bulgarbergen sterben würde. Immer öfter dachte er darüber nach, wie es überhaupt dazu gekommen war, daß er diese wilde, herzlose Frau je
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