Helden des Olymp: Der Sohn des Neptun (German Edition)
Die Geister teilten sich für sie, sie spürten, dass Hazel ein Kind des Pluto war. Der riesige dreiköpfige Hund Zerberus knurrte in der Dunkelheit, ließ sie aber durch. Hinter den Toren betraten sie einen großen Pavillon und traten vor den Richterstuhl. Drei schwarz gekleidete Gestalten mit goldenen Masken starrten auf Hazel herab.
Frank winselte. »Wer …?«
»Die werden über mein Schicksal entscheiden«, sagte Hazel. »Hör zu.«
Wie beim ersten Mal stellten die Richter ihr keine Fragen. Sie sahen einfach in ihr Bewusstsein, zogen Gedanken aus ihrem Kopf und musterten sie wie eine Sammlung alter Fotos.
»Hat sich Gaia widersetzt«, sagte der erste Richter. »Alkyoneus am Aufwachen gehindert.«
»Aber sie hat den Riesen immerhin auferstehen lassen«, widersprach der zweite Richter. »Schuldspruch: Feigheit, Schwäche.«
»Sie ist jung« meinte der dritte Richter. »Das Leben ihrer Mutter stand auf dem Spiel.«
»Meine Mutter.« Hazel fand den Mut zu sprechen. »Wo ist sie? Was ist ihr Schicksal?«
Die Richter musterten sie und ihre goldenen Masken erstarrten zu einem grausamem Lächeln. »Deine Mutter …«
Das Bild der Marie Levesque schimmerte über den Richtern. Sie war in der Zeit erstarrt; sie drückte Hazel an sich, als die Höhle einstürzte, und hatte die Augen geschlossen.
»Eine interessante Frage«, sagte der zweite Richter. »Die Teilung der Schuld.«
»Ja«, sagte der erste Richter. »Das Kind ist für eine edle Sache gestorben. Sie hat viele Tode verhindert, indem sie die Auferstehung des Riesen verzögert hat. Sie hatte den Mut, sich der Macht der Gaia zu widersetzen.«
»Aber sie hat zu spät gehandelt«, sagte der dritte Richter traurig. »Sie hat eine Feindin der Götter unterstützt und ihr geholfen, deshalb ist sie schuldig.«
»Ihre Mutter hat sie beeinflusst«, sagte der erste Richter. »Das Kind kann ins Elysium. Felder der Verdammnis für Marie Levesque.«
»Nein!«, schrie Hazel. »Bitte nicht. Das ist nicht fair!«
Die Richter legten im selben Moment die Köpfe schräg. Goldene Masken, dachte Hazel. Gold war immer ein Fluch für mich. Sie überlegte, ob das Gold die Gedanken der Richter irgendwie vergiftete, so dass sie ihr niemals einen fairen Prozess gewähren würden.
»Hüte dich, Hazel Levesque«, warnte der erste Richter. »Willst du die volle Verantwortung auf dich nehmen? Du könntest die Schuld der Seele deiner Mutter aufbürden. Das wäre vernünftig. Du warst zu Großem ausersehen. Deine Mutter hat deinen Weg abgelenkt. Sieh dir an, was du hättest sein können …«
Ein weiteres Bild tauchte über den Richtern auf. Hazel sah sich als kleines Kind, sie lachte und hatte ihre Hände mit Fingerfarben beschmiert. Dann wechselte das Bild. Hazel sah sich aufwachsen – ihre Haare wurden länger, ihre Augen trauriger. Sie sah sich an ihrem dreizehnten Geburtstag, wie sie auf dem geliehenen Pferd über die Wiesen ritt. Sammy lachte, während er sie verfolgte: »Wovor läufst du denn weg? So hässlich bin ich doch gar nicht, oder?« Sie sah sich in Alaska, wie sie in Schnee und Dunkelheit auf dem Heimweg von der Schule durch die Third Street trottete.
Dann wurde das Bild noch älter. Hazel sah sich mit zwanzig. Sie ähnelte ihrer Mutter so sehr, sie hatte die Haare zu Zöpfen geflochten und ihre goldenen Augen leuchteten vor Freude. Sie trug ein weißes Kleid – ein Hochzeitskleid? Sie lächelte so warm, dass Hazel sofort wusste, dass sie einen ganz besonderen Menschen ansah – jemanden, den sie liebte.
Bei diesem Anblick fühlte sie sich nicht verbittert. Sie überlegte nicht einmal, wen sie wohl geheiratet hätte. Sie dachte: So hätte meine Mutter aussehen können, wenn sie ihren Zorn losgelassen hätte, wenn Gaia sie nicht verdorben hätte.
»Du hast dieses Leben verloren«, sagte der erste Richter einfach. »Besondere Umstände. Elysium für dich. Strafe für deine Mutter.«
»Nein«, sagte Hazel. »Nein, nicht alles war ihre Schuld. Sie wurde verführt. Sie hat mich geliebt. Sie hat nur versucht, mich zu beschützen.«
»Hazel«, flüsterte Frank. »Was machst du da?«
Sie drückte seine Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen. Die Richter achteten nicht auf ihn.
Endlich seufzte der zweite Richter. »Keine Entscheidung. Nicht genug Gutes. Nicht genug Schlechtes.«
»Die Schuld muss geteilt werden«, stimmte der erste Richter zu. »Beide Seelen werden in den Asphodeliengrund geschickt. Tut mir leid, Hazel Levesque. Du hättest eine Heldin sein
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