Helden-Maus
einziges Loch – auf der Seite, aus der sie herausgekommen waren.
Er kehrte zurück und spähte in den Tunnel hinein. Er führte weit nach hinten, und am anderen Ende war Licht zu erkennen.
»Du benimmst dich, als hättest du noch nie einen magischen Pfad gesehen«, bemerkte Latia.
Esk wurde verlegen, doch er kämpfte mannhaft darum, dieses Gefühls Herr zu werden, weil er seine Konsequenzen mehr fürchtete als die Verlegenheit selbst. Also wandte er sich wieder nach vorn und schritt den Astpfad entlang.
Er besaß kleinere Äste, die hinaufragten und ihn überdachten, und an einigen davon hingen Früchte. Esk griff hinauf und pflückte eine Pflaume, die sich, als er hineinbiss, als saftig und lecker erwies.
Ein Stück weiter am selben Ast hingen zwei Früchte einer anderen Art. Sie waren grünlich gelb und unten am dicksten. Er pflückte sie beide, weil sie sich nicht einzeln pflücken ließen; so war das eben bei Paarbirnen. Auch diese schmeckten sehr gut.
Ein Stück weiter entdeckte er eine große Ananas. Die ließ er aus, weil diese Fruchtart gern explodierte.
»Das ist aber ein vielseitiger Obstbaum«, bemerkte Latia.
Schließlich verließ der Pfad den Baum, indem er stufenweise in die Tiefe auf den Boden führte, um dann einem kleinen Fluss entgegenzustreben.
Esk blieb stehen. »Ich kann keinen Pfad am anderen Ufer erkennen.«
Latia und Bria überzeugten sich ebenfalls davon, dass der Pfad lediglich schräg in den Fluss hinein führte, ohne sich auf der anderen Seite fortzusetzen.
»Dafür gibt es nur eine Erklärung«, sagte Latia. Sie trat auf den Fluss hinaus.
Ihr Fuß versank nicht im Wasser. Vielmehr stand sie auf dem Fluss, als wäre er aus festem Material. Sie machte einen weiteren Schritt und blieb stehen. »Genau, wie ich vermutet habe«, sagte sie. »Der Pfad führt auf dem Fluss weiter.«
Esk war zu klug, um die Sache jetzt noch in Frage zu stellen. Er trat aufs Wasser hinaus und stellte fest, dass es so fest war wie Eis, aber nicht so kalt. Es war tatsächlich der Pfad. Er hätte schon früher darauf kommen müssen, denn der Pfad, der vom Schloss des Guten Magiers geführt hatte, hatte ebenfalls Gewässer überquert.
Bria folgte ihm. »Ich glaube, hier in der Außenwelt gefällt es mir«, sagte sie und bauschte ihr Kleid.
Als Esk sie ansah, entdeckte er, dass das Wasser, auf dem sie stand, spiegelte. Er konnte an ihren Beinen empor sehen.
Hastig wandte er sich ab. Obwohl er ihre Beine schon im Kürbis angeschaut hatte, bevor sie das Kleid angezogen hatte, fühlte er sich schuldig, weil er sie jetzt sah. Schuldig, weil er sie sehen wollte.
»Habe ich dich in Verlegenheit gebracht?« erkundigte sich Bria.
Auch das noch! Er wollte ihr die Wahrheit sagen, wollte ihr mitteilen, dass sie ihn schuldlos in Verlegenheit gebracht hatte, wusste aber, dass dies die Angelegenheit nur noch verkomplizieren würde. »Ich, äh, habe mich selbst in Verlegenheit gebracht«, sagte er.
Sie lachte. »Da wirst du aber Schwierigkeiten haben, wenn du das in Ordnung bringen willst!«
Schwierigkeiten in der Tat! Er wusste, dass sie ihn nur aufzog; wahrscheinlich wusste sie auch von den Spiegelungen. Warum konnte sein Gefühl denn nicht seinem Intellekt folgen und akzeptieren, dass das Messingmädchen nur eine flüchtige Bekanntschaft war?
Der Fluss wurde breiter, bis sie schließlich in gehörigem Abstand von beiden Ufern dahinschritten. Nun breiteten sich Wasserlilien über seine ruhige Oberfläche und verschleierten die Spiegelungen, was Esk erleichterte. Doch wohin führte der Pfad? Er schien sich nur wenig für sein Ziel zu interessieren; manchmal führte er nach Norden, manchmal nach Süden, manchmal auch nach Osten oder Westen. Nun steuerte er auf etwas zu, das ein See zu werden versprach. Wann würde er sein Ziel denn endlich ernsthaft angehen?
Ganz plötzlich endete der Pfad. Latia, die inzwischen an der Spitze ging, stürzte mit einem Mal neben einem grünen Lilienfeld ins Wasser.
Esk legte sich auf dem festen Pfad auf den Bauch und griff nach ihr, um sie herauszuholen. Seine suchende Hand erwischte ihren hageren Fußknöchel. Er riss daran – und spürte das Stechen einer Ohrfeige. Was war hier los?
Dann schob Latia den Kopf aus dem Wasser. »Tut mir leid – ich dachte, du wärst ein Wasserfloh oder so etwas. Es ist schon in Ordnung – der Pfad befindet sich hier unten. Ihr müsst einfach nur herabsteigen und euch neu orientieren.«
Dann verschwand ihr Kopf wieder.
»Hast du bemerkt –
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