Heldenklingen
Bremer dan Gorsts versteinertes Gesicht, das wie immer keine Gefühlsregung erkennen ließ, und lächelte zu ihm hinüber. Er erwiderte ihren Gruß mit einer kaum wahrnehmbaren Kopfbewegung.
Finrees Vater stand vor einer großen Landkarte und zeigte mit ausdrucksvollen Handbewegungen auf verschiedene Stellungen. Wie stets, wenn sie ihren Vater bei der Arbeit saß, wurde Finree warm ums Herz vor Stolz. Er war der Inbegriff eines Befehlshabers. Als er sie hereinkommen sah, trat er kurz zu ihnen, um Meed die Hand zu schütteln; mit Finree tauschte er einen Blick und bedachte sie mit einem winzigen Lächeln.
»Lord Statthalter Meed, ich danke Ihnen, dass Sie mit so großer Geschwindigkeit nach Norden gezogen sind.« Wobei man nicht vergessen durfte, dass Meeds Division immer noch ziellos herumgeirrt wäre, hätte Seine Gnaden selbst die Himmelsrichtung bestimmen müssen, in die der Marsch ging.
»Lord Marschall Kroy«, erwiderte der Statthalter knapp und machte keinen Hehl aus seiner geringen Begeisterung. Ihre Beziehung war delikat. In seiner eigenen Provinz Angland herrschte Meed unangefochten allein, aber in Kriegszeiten hatte Finrees Vater als vom König eingesetzter Lord Marschall einen höheren Rang inne, und Meed war ihm unterstellt.
»Mir ist bewusst, dass es sicherlich für Sie mehr als bedauerlich war, Ollensand aufzugeben, aber wir brauchen Sie hier.«
»Das sehe ich«, knurrte Meed, der sich wie immer wenig entgegenkommend gab. »Soweit ich weiß, gab es eine erns…«
»Meine Herren!« Das Grüppchen Offiziere an der Tür teilte sich und ließ jemanden durch. »Ich muss mich für mein spätes Eintreffen entschuldigen, die Straßen sind leider ziemlich verstopft.« Ein untersetzter, kahlköpfiger Mann trat aus der Menge, schüttelte die Schöße eines recht mitgenommenen Reisemantels und bespritzte alle in seiner Nähe rücksichtslos mit Regenwasser. Er wurde von nur einem Diener begleitet, einem Lockenkopf, der einen Korb trug, aber Finree hatte es sich zur Aufgabe gemacht, jeden in der Regierung Seiner Majestät zu kennen, jedes Mitglied des Offenen und des Geschlossenen Rates, und auch genau zu wissen, wie viel Einfluss es jeweils besaß, und daher ließ sie sich nicht im Geringsten von dem bescheidenen Auftreten täuschen. Er mochte sich im Ruhestand befinden oder auch nicht. Bayaz, der Erste der Magi, hatte den höchsten Rang von allen inne.
»Lord Bayaz.« Finrees Vater stellte die Anwesenden vor. »Das ist Lord Statthalter Meed von Angland, der die dritte Division Seiner Majestät befehligt.«
Dem Ersten der Magi gelang das Kunststück, dem Statthalter die Hand zu schütteln und ihn gleichzeitig völlig zu übersehen. »Ich kannte Ihren Bruder. Ein guter Mann, der allen sehr fehlt.« Meed wollte etwas sagen, aber Bayaz wurde von seinem Diener abgelenkt, der in diesem Augenblick einen Becher aus seinem Korb hervorzog. »Ah! Tee! Wenn man einen Becher Tee in der Hand hält, erscheint einem nichts mehr so schlimm wie zuvor, nicht wahr? Möchte vielleicht noch jemand einen Schluck?« Niemand meldete sich. Tee betrachtete man in der Union allgemein als unpatriotische gurkhisische Marotte, die mit schnurrbartzwirbelndem Verrat gleichzusetzen war. »Niemand?«
»Ich hätte gern einen Becher.« Finree glitt elegant vor den Lord Statthalter und zwang ihn, einen stolpernden Schritt zurück zu treten. »Das ist genau das Richtige bei diesem Wetter.« Sie verabscheute Tee, hätte aber ohne mit der Wimper zu zucken einen ganzen Ozean davon getrunken, solange sie dadurch die Gelegenheit bekam, ein paar Worte mit dem mächtigsten Mann in der Union zu wechseln.
Bayaz’ Blick glitt einmal über ihr Gesicht wie der eines Pfandleihers, den man gebeten hatte, eine Schätzung für ein geschmackloses Erbstück abzugeben. Finrees Vater räusperte sich etwas zögernd. »Das ist meine Tochter …«
»Finree dan Brock natürlich. Meinen Glückwunsch zu Ihrer Vermählung.«
Sie unterdrückte ihre Überraschung. »Sie sind sehr gut informiert, Lord Bayaz. Ich hätte gedacht, ich wäre viel zu unwichtig, um so viel Beachtung zu finden.« Das zustimmende Hüsteln, das aus Meeds Ecke kam, überhörte sie geflissentlich.
»Für einen vorsichtigen Mann ist nichts zu unwichtig«, sagte der Magus. »Wissen ist immerhin die Wurzel aller Macht. Ihr Gatte muss in der Tat ein hervorragender Mann sein, damit er aus dem Schatten treten konnte, den der Verrat seiner Familie auf ihn geworfen hat.«
»Das ist er «, erwiderte sie
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