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Heldenklingen

Heldenklingen

Titel: Heldenklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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und lag wie angeklatscht an ihrem Kopf, und es sah so aus, als ob ihr ein ganzes Büschel ausgerissen worden war. Ein Mundwinkel verlor sich in einer dicken, dunklen Schwellung. Ein Ärmel ihres dreckigen Kleides war zerfetzt und voller Blutflecken. Dennoch vergoss sie keine Tränen. So eine war sie nicht.
    »Alles in Ordnung?«, fragte Kropf.
    Sie warf einen Blick über ihre Schulter zu der schäbigen Kolonne, die sich schmerzverzerrt auf Krücken und Bahren voran mühte. »Es könnte mir schlechter gehen.«
    »Das ist wohl wahr.«
    »Und du? Alles klar?«
    »Hä?« Sie deutete auf sein Gesicht und berührte leicht die Stiche an der Schnittwunde, die er bis dahin schon ganz vergessen hatte. »Wie du schon sagtest, es könnte mir schlechter gehen.«
    »Nur so aus Interesse – mal angenommen, es ginge mir nicht gut, was würdest du dann tun?«
    Kropf öffnete den Mund und merkte dann, dass er keine rechte Antwort wusste. »Keine Ahnung. Vielleicht ein paar nette Worte sagen?«
    Die junge Frau blickte sich auf dem zerstörten Platz um, den sie gerade überquerten, betrachtete die Verwundeten, die an der Nordseite vor einer Mauer lagerten, und sah wieder zu den Verwundeten, die ihnen folgten. »Nette Worte wären inmitten all dessen vermutlich nicht viel wert.«
    Kropf nickte langsam. »Aber was bleibt uns sonst noch?«
    Er hielt ein Dutzend Schritt vor der Brücke an, und Espe schloss zu ihm auf. Vor ihnen erstreckte sich der schmale Steifen Steinplatten, an dessen anderem Ende ein paar Fackeln brannten. Von Männern war nichts zu sehen, aber Kropf war sich sicher, dass sich diese Drecksäcke in Scharen in den schwarzen Häusern am südlichen Ufer verschanzt hatten, die Flachbögen schussbereit und die nervösen Finger am Abzug. Eigentlich war es ja gar keine besonders große Brücke, aber jetzt wirkte es doch so, als sei der Weg hinüber verdammt lang. Verdammt viele Schritte, und bei jedem davon riskierte man einen Pfeil in die Nüsse. Aber wenn sie nun noch eine Weile warteten, würde sich daran auch nichts ändern. Im Gegenteil, da es allmählich immer dunkler wurde, würden sie später sogar noch mehr in Gefahr sein.
    Kropf hustete ein wenig Schleim aus seiner Kehle hoch und wollte gerade ausspucken, als er merkte, dass ihn die junge Frau beobachtete, und er schluckte den Rotz hinunter. Dann ließ er den Schild von seiner Schulter gleiten und lehnte ihn gegen die Mauer, zog sein Schwert aus dem Gürtel und reichte es Espe. »Warte hier mit den anderen, ich gehe hinüber und werde sehen, ob dort jemand für Vernunft empfänglich ist.«
    »In Ordnung.«
    »Und wenn ich erschossen werde … weine um mich.«
    Espe nickte feierlich. »Ein einäugiges Meer aus Tränen.«
    Kropf hob die Hände und ging los. Es kam ihm so vor, als sei es noch gar nicht lange her, dass er auf ganz ähnliche Weise den Heldenberg emporgestiegen war. Hinein in die Höhle des Löwen, mit nichts weiter bewaffnet als einem nervösen Lächeln und dem überwältigenden Drang, sich zum Kacken hinzuhocken.
    »Das Rechte tun«, brummte er unterdrückt. Den Friedensvermittler spielen. Dreibaum wäre stolz auf ihn. Das war natürlich wahnsinnig tröstend. Wenn sich ihm ein Pfeil in den Hals bohrte, dann war der Stolz eines Toten bestimmt viel wert. »Verdammt noch mal zu alt für diesen Scheiß.« Bei den Toten, er hätte sich schon längst zur Ruhe setzen sollen. Mit einer Pfeife im Mundwinkel aufs Wasser gucken, nachdem das Tagewerk erledigt war. »Das Rechte tun«, flüsterte er wieder. Es wäre schön gewesen, wenn nur einmal das Rechte auch das Sicherste gewesen wäre. Aber Kropf vermutete, dass es im Leben nun mal nicht so zuging.
    »Das ist weit genug!«, rief eine Stimme auf Nordisch.
    Kropf blieb stehen, endlos einsam in der Düsternis. Unter ihm gurgelte das Wasser. »Ganz deiner Meinung, mein Freund! Ich komme zum Reden!«
    »Als wir das letzte Mal miteinander geredet haben, ist es für alle Beteiligten wenig angenehm ausgegangen.« Jemand kam ihm von der anderen Seite der Brücke entgegen, eine Fackel in der Hand, deren orangefarbenes Licht auf eine zerfurchte Wange, einen struppigen Bart und einen entschlossenen Mund mit zerschlagenen Lippen fiel.
    Kropf grinste unwillkürlich, als der Mann eine Armlänge von ihm entfernt stehen blieb. Seine Chancen, diese Nacht zu überleben, waren gerade um ein großes Stück gestiegen. »Hartbrot, wenn ich mich nicht völlig irre.« Zwar war es nicht einmal eine Woche her, dass sie sich alle Mühe

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