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Heldenklingen

Heldenklingen

Titel: Heldenklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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Hand nahm, presste er die Zunge gegen den Gaumen. Seine Augen fanden die Kerzenflamme, die einladend in den Schatten flackerte. Der Blick, mit dem er die helle Lichtquelle bedachte, war der eines Mannes mit Höhenangst, der zum höchsten Türmchen einer hoch aufragenden Burganlage hinaufsieht. Sie rief seinen Namen. Zog ihn an. Machte ihn mit dem verlockenden Versprechen der völligen Selbstauslöschung ganz nervös. Mit einem Fingerschnippen wäre diese ganze beschämende Scheußlichkeit vorüber, die ich höhnisch lachend ein Leben nenne. Er musste nichts weiter tun als den Brief versiegeln, ihn abschicken und darauf warten, dass der Sturm losbrach.
    Dann seufzte er, hielt den Brief an die Flamme und sah zu, wie er allmählich schwarz wurde und verkohlte, dann warf er das letzte Stück glimmenden Papiers in seinem Zelt auf den Boden und trat die Flammen mit dem Stiefel aus. Jede Nacht schrieb er mindestens einen dieser Briefe, wie große Ausrufezeichen zwischen den ausufernden Sätzen, mit denen er sich zum Schlafen zwingen wollte. Manchmal fühlte er sich hinterher sogar besser. Für sehr kurze Zeit .
    Er runzelte die Stirn, als von draußen ein Klappern erklang, zuckte zusammen, als darauf ein lautes Krachen folgte und Rufe ertönten. Etwas an diesem Lärm ließ ihn nach seinen Stiefeln greifen. Es waren viele Stimmen, schließlich war auch Hufschlag zu hören. Er packte sein Schwert und schlug die Zelttür beiseite.
    Jünger hatte draußen gesessen und im Lampenschein die Dellen vom Vortag aus Gorsts Rüstung gehämmert. Nun aber war er aufgestanden, immer noch eine Beinschiene und einen kleinen Hammer in der Hand, und reckte den Hals.
    »Was geschieht da?«, fragte Gorst piepsend.
    »Ich habe keine – hüah !« Jünger sprang aus dem Weg, als ein Pferd vorüberdonnerte und sie beide mit Dreck bespritzte.
    »Bleiben Sie hier.« Gorst legte ihm sanft die Hand auf die Schulter. »Halten Sie sich aus der Schusslinie.« Dann lief er von den Zelten zur Alten Brücke hinüber, stopfte sich mit einer Hand das Hemd in die Hose und hielt mit der anderen das lange Eisen fest, das noch in seiner Scheide steckte. Aus der Dunkelheit drangen laute Rufe, Laternenlicht blitzte auf und erhellte kurz Körper und Gesichter, die sich mit dem Bild der Kerzenflamme vermischten, das noch immer durch Gorsts Hirn spukte.
    Ein Bote kam aus der Dunkelheit gelaufen; er atmete schwer, und eine Gesichtshälfte und die dazugehörige Seite seiner Uniform waren mit Schlamm überzogen. »Was geht da vor sich?«, herrschte Gorst ihn an.
    »Die Nordmänner greifen in großer Zahl an!«, keuchte der Mann im Lauf. »Wir wurden überrannt! Sie kommen!« Sein Entsetzen löste bei Gorst hingegen reine Freude aus. Ein Gefühl der Erregung stieg in seiner Kehle auf, so heiß, dass es fast wehtat, und die vielen kleinen Unpässlichkeiten, die Prellungen und der Muskelkater lösten sich in Windeseile auf, als er zum Fluss hinunter eilte. Werde ich mir zum zweiten Mal binnen zwölf Stunden meinen Weg über die Brücke erkämpfen müssen? Beinahe hätte er aufgelacht, so albern war die Vorstellung. Ich kann es nicht erwarten.
    Er sah Offiziere, die ihre Mannschaften zur Ordnung riefen, während andere um ihr Leben liefen. Manche Männer suchten wie wild nach Waffen, andere warfen sie weg. Jeder Schatten sah zunächst nach einer Horde mordender Nordmänner aus. Gorsts Handfläche kribbelte, so stark war der Drang, den Säbel zu ziehen, aber dann entpuppten sich die irreführenden Schatten als verdatterte Soldaten, halb bekleidete Dienstboten oder schielende Pferdeknechte.
    »Oberst Gorst? Sind Sie das, Herr Oberst?«
    Er ging weiter, war mit den Gedanken ganz woanders. Wieder in Sipani. Im rauchgeschwängerten Durcheinander in Cardottis Haus der Sinnesfreuden. Suchte in der erstickenden Düsternis nach dem König. Aber dieses Mal werde ich nicht versagen.
    Ein Diener mit einem blutigen Messer starrte auf eine zusammengekrümmt am Boden liegende Gestalt. Offenbar eine Verwechslung. Ein Mann stürzte aus einem Zelt, die Haare standen wild von seinem Kopf ab, und er fummelte mit der Schließe herum, mit der sein Paradesäbel am Gürtel befestigt wurde. Wenn Sie mich bitte entschuldigen würden. Ein untersetzter Hauptmann saß da, Blut lief über sein überraschtes Gesicht, und er presste einen Verband gegen seinen Kopf. »Was passiert da? Was passiert da?« Panik. Panik passiert gerade. Faszinierend, wie schnell sich ein standfestes Heer in ein solches

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