Heldenklingen
machte, weil er sich genau diese Frage stellte. Aber seine Stimme klang trotzdem ruppig und tief. Er dankte den Toten für seine Heldenstimme, die ihm treu blieb, auch wenn er mit der Zeit die Nerven eines Feiglings bekommen hatte.
»Ich will, dass jeder Mann heute das Rechte tut!«, brüllte er. »Und bevor ihr jetzt anfangt, euch darüber lustig zu machen, und ich euch deswegen kräftig in den Arsch treten muss, sage ich euch: Es geht nicht darum, kleinen Kindern den Kopf zu tätscheln oder einem Eichhörnchen euren letzten Brotkanten zuzuwerfen, und es geht auch nicht darum, mehr Mut als Skarling zu zeigen, wenn die Klingen gezogen werden. Ich rede hier nicht davon, den Helden zu spielen.« Mit dem Kopf deutete er zu den Monolithen, die sie umstanden. »Das könnt ihr diesen Steinen überlassen. Die bluten dabei nicht. Ich rede davon, dass ihr zu eurem Häuptling halten müsst! Zu eurer Truppe! Zu dem Mann, der neben euch steht! Und vor allem rede ich davon, dass ihr verdammt noch mal aufpassen sollt, damit euch keiner umbringt!«
Er suchte Becks Gesicht und deutete mit dem Finger zu ihm hinüber. »Seht euch diesen Jungen an. Roter Beck, so heißt er.« Becks Augen weiteten sich, als sich die ganze vordere Mörderreihe umwandte, um ihn anzusehen. »Der hat gestern das Rechte getan. Hat in einem Haus in Osrung die Stellung gehalten, als die Union die Tür eintrat. Hat auf seinen Häuptling gehört. Hat zu seinen Leuten gehalten. Und einen kühlen Kopf behalten. Fünf von den Südländer-Arschlöchern hat er wieder zu Schlamm werden lassen, und er hat überlebt.« Vielleicht schmückte Kropf die Wahrheit ein wenig aus, aber darauf kam es bei diesen Reden ja auch an, oder vielleicht nicht? »Wenn ein Junge von siebzehn die Union daran hindern kann, in eine Hütte einzudringen, dann sollten doch Männer von eurer Erfahrung kein Problem damit haben, sie von einem Hügel wie diesem hier fernzuhalten. Und da ja alle wissen, wie reich die Unionisten sind … die werden doch sicherlich jede Menge fallen lassen, wenn sie diesen Abhang wieder runterrennen, was?« Jetzt wurde endlich ein bisschen gelacht. Es funktionierte doch immer wieder, an die Gier der Männer zu appellieren.
»Das ist alles!«, brüllte er. »Auf eure Plätze!« Damit sprang er von der Kiste, wankte kurz, als er sein wehes Knie belastete, blieb aber aufrecht stehen. Beifall gab es nicht, aber er sagte sich, dass er vermutlich trotzdem genug von ihnen auf seine Seite gezogen hatte, dass ihn niemand von hinten erstechen würde, bevor die Schlacht vorüber war. Und viel mehr konnte er sich in dieser Gesellschaft nicht erhoffen.
»Nette Rede«, sagte Herrlich.
»Fandst du?«
»Bloß wegen dieser Sache mit dem Rechten, was man tun soll, bin ich mir nicht so sicher. Musstest du das sagen?«
Kropf zuckte die Achseln. »Irgendjemand sollte das tun.«
»Vielleicht haben Sie heute Morgen Lärm gehört.« Oberst Vallimir warf den versammelten Offizieren und Korporälen des Ersten Regiments Seiner Majestät einen strengen Blick zu. »So hört sich ein Überfall der Nordmänner an.«
»So hört es sich an, wenn jemand richtig in die Scheiße fasst«, brummte Tunny. Das hatte er gewusst, sobald der Kampfeslärm von Osten herübergeweht war. Für einen Griff in die Scheiße gab es außerdem kein besseres Rezept als die Nacht, Heere und Überraschungen.
»Es kam zu ein wenig Verwirrung an der Front …«
»Noch mehr Scheiße«, brummte Tunny.
»In der Dunkelheit breitete sich Panik aus …«
»Noch mehr«, brummte Tunny.
»Und …« Vallimir schnitt eine Grimasse. »Die Nordmänner konnten mit zwei Standarten entkommen.«
Tunny öffnete den Mund ein wenig, aber dafür fehlten ihm die Worte. Ungläubiges Gemurmel erhob sich, deutlich hörbar, obwohl der Wind heftig in die umstehenden Bäume fuhr. Vallimir überschrie seine Leute.
»Die Standarten des Zweiten und Dritten Regiments wurden vom Feind erobert! General Mitterick ist …« Der Oberst machte den Eindruck, seine Worte nun sehr sorgfältig auszuwählen. »… nicht besonders glücklich.«
Tunny schnaubte. Mitterick war schon zu besten Zeiten nicht besonders glücklich. Wie er darauf reagiert hatte, dass man unter seiner Nase mit zwei Standarten Seiner Majestät abgehauen war, konnte sich jeder denken. Die Möglichkeit bestand, dass er, wenn man jetzt mit einer Nadel in ihn stach, explodierte und das halbe Tal in Trümmer legte. Tunny merkte, dass er die Standarte des Ersten jetzt mit besonderer
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