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Heldenklingen

Heldenklingen

Titel: Heldenklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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über die feuchten Steine bis auf die Krone der Mauer.
    Vor ihnen erhoben sich die Kinder. Auf kurze Entfernung wirkten sie viel größer, als er es sich vorgestellt hatte, ein Kreis roh behauener Steine, etwas mehr als mannshoch. Hier lagen ebenfalls Leichen, aber nicht mehr so viele wie unten an den Hängen. Offenbar war der Widerstand weniger entschieden gewesen und inzwischen ganz zum Erliegen gekommen. Unionssoldaten standen da, in unterschiedlichem Maß verwirrt und erschöpft. Hinter ihnen erhob sich die letzte Steigung bis zum Gipfel, bis zu den Helden selbst. Auf diesem Stück, nicht mehr ganz so steil wie die Bergflanke weiter unten, wimmelte es vor flüchtenden Nordmännern. Allerdings war dies mehr ein organisierter Rückzug als eine wilde Flucht, jedenfalls nach dem, was Jalenhorm mit einem hastigen Blick erkennen konnte.
    Zu mehr als einem hastigen Aufschauen war er auch nicht in der Lage. Nun, da die unmittelbare Gefahr vorüber war, gab sein Körper nach. Kurz hielt er inne, stützte die Hände auf die Knie und fühlte, wie sich sein Brustkorb hob und senkte, wobei sich sein Bauch bei jedem Atemzug unangenehm gegen die Innenseite des phantastischen Brustpanzers drückte. Das verdammte Scheißding passte ihm nicht mehr. Es hatte ihm verdammt noch mal nie richtig gepasst.
    »Die Nordmänner ziehen sich zurück!« Gorsts eigentümliches Falsett klingelte in Jalenhorms Ohren. »Wir müssen ihnen nach!«
    »Herr General! Wir müssen uns neu aufstellen.« Das war einer aus Jalenhorms Stab, dessen Rüstung mit kleinen Regentropfen besetzt war. »Wir sind der zweiten Welle weit voraus. Zu weit.« Der Mann deutete in Richtung Osrung, das nun hinter einem dichten Regenschleier verborgen lag. »Und die Kavallerie der Nordmänner hat das Stariksa-Regiment angegriffen, sie stehen zu unserer Rechten schwer unter Druck …«
    Jalenhorm gelang es, sich wieder aufzurichten. »Die Adua-Freiwilligen?«
    »Sind noch unten bei den Obstbäumen, Herr General!«
    »Wir werden von unserer Verstärkung abgeschnitten«, fiel nun auch ein anderer ein.
    Gorst machte eine ärgerliche Handbewegung, und seine Piepsstimme bildete einen geradezu albernen Gegensatz zu seinem blutbespritzten Anblick. Er schien nicht einmal außer Atem zu sein. »Wen kümmert die Scheiß-Verstärkung! Wir müssen weiter vorstoßen!«
    »Herr General, Oberst Vinkler ist tot, die Männer sind erschöpft, wir müssen kurz ausruhen!«
    Jalenhorm blickte zum Gipfel hinauf und nagte an seiner Unterlippe. Sollte er jetzt die Gelegenheit nutzen oder auf Verstärkung warten? Er sah die Speere der Nordmänner vor dem immer dunkler werdenden Himmel aufragen. Sah Gorsts begieriges, rot bespritztes Gesicht. Die sauberen, nervösen Gesichter seiner Stabsoffiziere. Er verzog das Gesicht, betrachtete die Handvoll Männer, die ihn umstanden, dann schüttelte er den Kopf. »Wir werden hier eine Weile die Stellung halten und auf die nachrückenden Truppen warten. Diese Position sichern und unsere Kraft sammeln.«
    Gorst machte ein Gesicht wie ein kleiner Junge, dem man gerade gesagt hat, dass er dieses Jahr kein Hündchen bekommen wird. »Aber, Herr General …«
    Jalenhorm legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Ich möchte ebenso gern weiterkämpfen wie Sie, Bremer, das können Sie mir glauben, aber man kann nicht endlos voranstürmen. Der Schwarze Dow ist bereit, und er ist schlau, soll heißen: Dieser Rückzug ist vielleicht nur eine Finte. Ich habe nicht die Absicht, mich ein zweites Mal von ihm vorführen zu lassen.« Er sah mit zusammengekniffenen Augen zum Himmel, an dem sich die Wolken immer drohender zusammenzogen. »Das Wetter ist gegen uns. Sobald wir in größerer Truppenstärke versammelt sind, werden wir angreifen.« Sie würden sich vielleicht nicht lange ausruhen können. Unionssoldaten strömten über die Mauer und drängten sich im Steinkreis zusammen.
    »Wo ist Retter?«
    »Hier, Herr General!«, rief der Junge. Er sah blass und verängstigt aus, aber das taten sie vermutlich alle.
    Jalenhorm lächelte, als er seiner ansichtig wurde. Hier stand wirklich ein kleiner Held vor ihnen. »Blase zum Antreten, Junge, und zum Vormarsch auf den Gipfel.«
    Sie konnten sich keine Unvorsichtigkeiten leisten, aber sie durften auch nicht die Initiative aus der Hand geben. Dies hier war ihre einzige Chance, die Scharte vom ersten Tag wieder auszuwetzen. Jalenhorm blickte sehnsüchtig zu den Helden, und der Regen tröpfelte auf seinen Helm. So nahe. Die letzten

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