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Heldensabbat

Heldensabbat

Titel: Heldensabbat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Sibylle weiter.
    »Wir sind mit unseren Panzern in eine Falle gerollt. Fast die Hälfte unserer Kampfgruppe ging dabei drauf. Ich mußte aussteigen. Ich hab' dann mit ein paar zusammengerafften Männern im Erdeinsatz eine der beiden Pakstellungen aufgerollt. Später wurde ich verwundet und blieb liegen. Ich wäre verblutet oder von den Russen niedergemacht worden, wenn mich unser Kommandeur nicht herausgeholt hätte.« Stefan zieht den Kopf ein. »Und das war dein Mann.«
    Sibylle nickt.
    »Vielleicht wäre es besser gewesen, er hätte uns –«
    »Ohne Hilfe liegen lassen?« fragt Sibylle. »Hättest du Hans in dieser Lage im Stich gelassen?«
    »Nein, das nicht –«
    »Ich weiß, daß du zuerst die anderen gerettet hast und dann selbst gerettet wurdest.«
    Stefan betrachtet sie verwirrt.
    »Ich weiß auch, daß deine Version vom Kopfschuss nicht stimmt. Das hast du erfunden, nicht?«
    »Ja, schon –«, erwidert Stefan gedehnt.
    »– weil dich Hans gebeten hat, es mir so zu schildern?«
    »Woher weißt du das, Sibylle?«
    »Ich hab' ihn gekannt«, antwortet sie. »Deshalb hab' ich ihn ja so geliebt. Hans war ein Mann, der sich immer schützend vor die anderen stellen mußte. Er wollte auch mich schützen. Er hat dich darum gebeten, daß du mir eine geschönte Darstellung gibst.«
    »Es war so«, gesteht Stefan, »aber schon vorher, in einem langen Nachtgespräch. ›Du erzählst Sibylle nichts‹, hat er mich gebeten. ›Du wirst ihr schreiben, daß alles ganz schnell und schmerzlos gegangen ist –‹« Stefans Stimme verliert sich. Tränen laufen ihm über das Gesicht. »›Und das Äußerliche ist ja auch ganz unwichtig‹«, zitiert er weiter und heult dabei. »›Du wirst ihr schildern, daß ich ganz schnell und zufrieden gestorben bin.‹ Zufrieden«, brüllt er plötzlich. »Zufrieden!« schreit er und sieht Sibylle an, weicht ihrem Blick nicht mehr aus und bekommt sich langsam wieder in die Gewalt. »›Und daß ich sie – und den Jungen –‹« Stefan kann nicht mehr weitersprechen.
    Sibylle nimmt seine Hand, wie er die Hand desSterbenden festgehalten hat. »Aber begreife doch, Stefan«, sagt sie eindringlich, »es – es ist ein Trost für mich, daß du bei ihm warst, als – als er sterben mußte. Oberfeldwebel Schulz hat euch doch beide in das Feldlazarett gebracht – ich hab' inzwischen mit ihm gesprochen.« Sibylle bemerkt die Erleichterung, als Stefan begreift, daß er sein Wort nicht gebrochen hat.
    »Ja, ich war bei ihm, bis zuletzt. Er konnte nicht mehr sprechen, aber er war noch voll bei Bewußtsein und hat jedes Wort verstanden, das ich ihm sagte. Ich sah es an seinem Gesicht. Und ich glaube nicht, daß er große Schmerzen hatte. Weißt du, Sibylle, da hab' ich meine Erfahrungen, da brüllst du wie ein Tier. Glaub mir, Sibylle, es war wirklich so.« Stefan ist erleichtert, daß er es hinter sich gebracht hat, aber er ist beschämt, weil ihm dabei die Tränen gekommen sind.
    Sibylle fährt ihm mit der Hand über die Stirn. »Ich finde es großartig, daß du weich geworden bist. Ich«, setzt sie hinzu und greift, selbst am Ende ihrer Beherrschung, rasch nach ihrer Handtasche, »ich hab' dich noch nie männlicher erlebt als jetzt, Stefan.« Sie verabschiedet sich, geht nach draußen; er starrt noch lange an die Tür.
    Er kann nicht sehen, daß Sibylle sich jetzt an die Wand lehnen muß und hemmungslos weint.
    »Kann ich Ihnen helfen, gnä' Frau?« fragt ein Stabsarzt, der auf dem Gang vorbeikommt. »Ist Ihnen nicht gut?«
    »Danke«, entgegnet Sibylle. »Es – es geht schon wieder.« Sie läuft über den Korridor mit seltsam schweren, harten Schritten, die nicht zu dem schlanken, jugendlichen Körper passen.
    Der Arzt betritt das Zimmer, um den Leutnant zusammenzustauchen, der eine junge Frau so durcheinander gebracht haben muß. Dann sieht er in Stefans Gesicht und schließt die Tür behutsam. Er weiß nicht, was vorgefallen ist, aber er hat es begriffen.
    Kurz bevor Stefan am nächsten Morgen das Reservelazarett verläßt, um Sibylle zu besuchen, ändert ein bestürzter Anruf seiner Mutter sein Ziel. Isolde Hartwig hat erfahren, daß ihr Schwager entgegen allen Zusicherungen in Berlin hingerichtet worden ist.
    »Komm vorbei, Bub«, sagt sie. »Dein Vater braucht dich jetzt.«
    Stefan weiß, daß auch seine Mutter ihn brauchen wird. Er geht am Stock, so schnell er kann. Auf der rechten Seite seines Waffenrocks prangt ein neuer Orden: das Deutsche Kreuz in Gold, von den Soldaten

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