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Heldenwinter

Heldenwinter

Titel: Heldenwinter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Wolf
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oder?«
    »Oder es war eine Seuche«, warf Ammorna düster ein. »Die Plage …«
    »So oder so werden sie sich in ihrer Halle der Zusammenkunft versammelt haben.« Er wies auf das imposante Gebäude, das die schmalste Enge des Tals beherrschte. Wenn man Dalarrs Geschichte Glauben schenkte, hätte es an eine Knospe erinnern sollen, die ihre Blätter entfaltete. Die Art und Weise, in der das Bauwerk verfallen war, verlieh ihm allerdings eher die Anmutung einer Flusskrabbe, die im Tod sämtliche Beine von sich gestreckt hatte. Die Kuppel in der Mitte, die einer Steinkugel nachempfunden war, war der runde Leib, dessen harte Schale unter dem unablässigen Picken eines Möwenschnabels aufgebrochen war.
    »Wir sollten hier nicht rumstehen. Das nutzt uns nichts. Gehen wir weiter. Dann werden wir herausfinden, was sich hier abgespielt hat.« Dalarr ging forsch den Pfad weiter hinab, und die anderen folgten ihm, wenn auch zögerlicheren Schrittes. Sie hatten vielleicht fünf oder sechs der nächsten Statuen passiert, da knackte es erneut laut und vernehmlich.
    »Diesmal war ich’s nicht!«, verteidigte sich Kjell auf der Stelle.
    Er sprach die Wahrheit, was leicht zu erkennen war: Obwohl er sich nicht rührte, knackte es nun wieder. Und wieder. Und wieder. Das Knacken von Gelenken, die keine Gelenke aus Knochen, Sehnen und Muskeln waren. Das Knacken von Gelenken, die ganz aus Holz bestanden.
    Ihr Untrennbaren! Es sind die Statuen!
    Wankend und steif wie alte Männer traten sie von ihren Podesten herunter, die Aberdutzenden von hölzernen Elfen, die doch einem völlig anderen Zweck als Zierde und Erinnerung dienten.
    »Atschil Bekischak! Atschil Bekischak!«, rief Dalarr sofort in der Stimme eines Mannes, der in einer Schänke danach trachtet, ein hitziges Wortgefecht nicht in eine blutige Messerstecherei ausarten zu lassen.
    Wenn die Statuen ihn hörten, so zeigten sie es nicht. Mit ausgestreckten Armen staksten sie voran, die edlen Züge grausam in ihrer lebensechten Teilnahmslosigkeit.
    »Sie wollen uns einkreisen!« Kjell zog sein schartiges Schwert und hieb auf das wandelnde Standbild ein, das ihm und Ammorna am nächsten gekommen war. Die Klinge grub sich seinem Gegner schräg neben dem Hals bis zur Brust in den Rumpf. Ein Feind aus Fleisch und Blut wäre auf der Stelle tot zusammengebrochen, doch dieser Widersacher nicht. Die Nachbildung eines besonders hageren Elfen, der eines der Peitschenschwerter trug, von denen Dalarr berichtet hatte, schlurfte weiter voran und stieß sich dabei Schritt für Schritt Kjells Schwert tiefer in den Leib. Die Statue holte zu einem Schlag mit ihrer Waffe aus. Ihre Bewegungen waren abgehackt und eher bedächtig, aber Namakan zweifelte keinen Augenblick daran, dass ein Treffer mit dem Peitschenschwert selbst bei einer solchen Ausführung schreckliche Wunden reißen konnte.
    Er muss sein Schwert loslassen! Ehe Namakan eine Warnung aussprechen konnte, wurde er seinerseits von einer der Statuen bedrängt: Eine Elfe, deren Finger in Nägeln wie Bärenkrallen ausliefen, griff mit einer Hand nach der Kapuze seines Umhangs. Namakan wurde nach hinten gerissen und kippte von seinem Rucksack gezogen um. Die Statue hob ihre freie Klaue zum Schlag.
    Er handelte, ohne zu überlegen. Sein Jagddolch flog ihm förmlich in die Hand, und Namakan schlug zu, um die Klaue beiseite zu wischen. Er erreichte viel mehr, nämlich dass die Klinge des Dolchs das Holz glatt durchschnitt und abgetrennte Finger auf ihn herabregneten.
    Das Skaldat! Nichts ist härter als Skaldat!, begriff er.
    »Atschil Bekischak!« Dalarrs Ruf hatte den Anschein von blankem Irrsinn: Während er beteuerte, ein ewiger Freund der Elfen zu sein, ließ er Blotuwakar über seinen Kopf kreisen, sprang an Namakans Seite und hieb zu. Namakan spürte den Druck der Klaue in seinem Nacken ein wenig weichen. Aus der rechten Schulter der Statue, die ihn bedrängt hatte, ragte nur noch ein Stumpf.
    Namakan rappelte sich auf, schüttelte den losen Arm ab, der von seiner Kapuze baumelte, und sah zu, wie sein Meister sich zweier weiterer Statuen annahm. Dalarr nutzte die Reichweite seines Langschwerts voll aus: Er ging halb in die Hocke und führte zwei, drei weitgeschwungene Hiebe aus, als würde er mit einer Sense Heu machen. Die Statuen gingen zu Boden, aber obwohl ihnen nun die Beine fehlten und auf dem Boden verstreut lagen wie makabres Brennholz, krochen die unheimlichen Wächter dieses Reichs weiter auf Dalarr zu. Sie können nicht sterben, weil

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