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Heldenwinter

Heldenwinter

Titel: Heldenwinter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Wolf
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stichst sie jedem Menschen, dem du begegnest, in den Hintern und fragst, ob er deinen Freund irgendwo gesehen hat.«
    »O ihr kleingeistigen Zweifler an der Macht des Skaldats«, rügte Dalarr. »Passt auf!«
    Er schlug die Zinken des Herzfinders sachte gegen den Felsen, vor dem sie standen. Das Geräusch, das nun ertönte, schien aus einer Vielzahl verschiedener Klänge zusammengesetzt. Das satte Klirren des Hammers auf dem Schmiedegut. Das dumpfe Trommeln wie von einer in gemächlichem Takt gehauenen Pauke. Ein fernes Seufzen voller Wehmut und schöner Erinnerungen. Helles Gelächter, selig von Met und guter Gesellschaft.
    Dalarr schwenkte den Herzfinder hin und her, als wäre die Forke eine Fackel und er in einem dunklen Stollen auf der Suche nach einem Ausgang.
    »Bei den samtenen Schwingen der Gefiederten«, ächzte Ammorna. »Hört ihr das auch?«
    »Es wird leiser und lauter«, plapperte Morritbi aufgeregt.
    »Gebt Ruhe!«, knurrte Dalarr.
    Es stimmte. Namakan riss die Augen auf und spitzte die Ohren. Das Geräusch wird leiser und lauter. Je nachdem, wohin der Meister die Forke richtet.
    Nach einer Weile und mehrmaligem Drehen um die eigene Achse hatte Dalarr herausgefunden, wann der Ton am lautesten war. Er lächelte zufrieden und schloss die Faust um die Zinken der Forke. Der seltsame Laut hallte noch einen Wimpernschlag gedämpft nach, dann war seine Kraft gebrochen.
    »Wie geht das, Meister?« Namakan war verwirrt. »Du hast mir beigebracht, das blaue Skaldat wäre das Skaldat des Wassers und des Windes. Hier fließt kein Wasser, und es weht kein Wind, und trotzdem übt diese Forke Macht auf die Welt aus.«
    »Der Wind muss nicht wehen, um die Worte von meinem Mund an dein Ohr zu tragen, oder?« Dalarr verstaute den Herzfinder in seinem Rucksack und setzte sein Gepäck wieder auf. »Aber er ist trotzdem immer da, und auf all das, was ist, wirkt das Skaldat.« Er tippte sich gegen die Schläfe. »Für all das, was sein könnte, sind wir allein zuständig. Und genau das verleiht dem Skaldat seine Macht. Dass es das, was ist, mit dem verbindet, was sein könnte. Es verleiht schierem Willen, reinstem Traum und unaussprechlichsten Wünschen gleichermaßen Gestalt.«
    »Und dein Wunsch?«, wollte Tschumilal wissen. »Was ist dein Wunsch, dem die Kowilasch Ulef Gestalt verleiht?«
    »Das liegt doch wohl auf der Hand.« Ammorna stemmte die Fäuste in die Hüften. »Wir laufen kreuz und quer durch die Welt, immer diesem grässlichen Lärm hinterher, bis wir den Zwerg aufgespürt haben, den dieser Schausteller da sucht.«
    »Völlig richtig«, bestätigte Dalarr in ungewohntem Gleichmut. »Ich kann euch nicht einmal sagen, wie lange es dauern wird.« Er hakte die Daumen unter die Riemen seines Rucksacks. »Lasst uns weitergehen, und dann sage ich euch wenigstens, wer es ist, dem wir nachlaufen werden wie der Hengst dem Duft der rossigen Stute.«
    Der, den wir suchen, gilt als Verräter an seinem Volk. Das stimmt vielleicht sogar, wenn man die Maßstäbe der Zwerge anlegt. Zum Glück gibt es außer seinem Volk aber noch andere Völker, und wenn die Menschen von Tristborn um seine Rolle beim Zurückdrängen der Pferdestämme vor so vielen Sommern wüssten, würden sie ihn wohl als Helden feiern. So ist das eben. Man kann es nie allen recht machen, und Schande gegen Lobpreisung aufzuwiegen ist in solchen Fällen eine törichte Übung.
    Eisarn Bairasunus ist ein Sohn jenes Volkes, das man hierzulande die Zwerge nennt. Wer von Zwergen spricht, beschwört damit in den Köpfen seiner Zuhörer oft ein ganz bestimmtes Bild herauf: von streitsüchtigen, goldgierigen Bartträgern, die kaum eine Handbreit höher als ein Hausschwein sind und in Hügeln und Bergen unter der Erde leben. Nun, alles an diesem Bild trifft durchaus auf die Zwerge zu, auch auf Eisarn. Er führt gern Zwiste, beim Anblick von glänzendem Geschmeide schlägt sein Herz höher, die Spitze seines geflochtenen Barts kitzelt ihn fast am Gondull, und er ist in einem Berg geboren. So weit, so gut. Doch die Zwerge sind noch viel mehr als das, was dieses krude Bild beinhaltet. Würde man einem Hirsch gerecht, wenn man ihn zu beschreiben versucht und nur erwähnt, dass er Fell hat, ein Geweih trägt und röhrt, wenn ihn die Geilheit überfällt? Ich denke nicht …
    Es gibt noch einiges mehr, das man wissen muss, um zu begreifen, wie die Zwerge sind. Und zunächst sind sie ohne jeden Zweifel ein sterbendes Volk. Es gab eine Zeit, die nun schon Hunderte von Sommern

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