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Heldenwinter

Heldenwinter

Titel: Heldenwinter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Wolf
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Schwert will einen nicht dazu verleiten, die ganze Welt auszulöschen«, widersprach Namakan.
    »Sei dir da nicht so sicher.« Eisarn hob einen seiner dicken Finger. »Erst rammt man es womöglich nur in einen einzigen Bauch, aber wenn man danach sieht, wie der Feind tot vor einem liegt, will man den nächsten Feind so sehen. Und den nächsten. Und noch einen. Und immer so weiter. Dann steckt man das Schwert zum ersten Mal in den falschen Bauch. Es spielt keine Rolle, ob man sich darüber grämt oder nicht. Man hat es getan, und man hat wahrscheinlich eine ganze Horde neuer Feinde. Ehe man sich versieht, tötet man schneller, als man denkt. Bis man nur noch Feinde hat. Und seine Feinde muss man töten, bevor sie einen töten. Ich könnte dir so manche Sippe nennen, die auf diese Weise vernichtet wurde.« Er atmete einmal schwer. »Es ist ein Graus …«
    »Vielleicht musst du so reden.« Es war ein garstiger Gedanke, den Namakan da entwickelte. Lass es sein, riet ihm sein Gewissen. Er hat dir nichts getan. Namakan ließ es nicht sein. »Vielleicht musst du vor dir und mir rechtfertigen, dass wir die Ketten benutzen – wie immer das auch genau aussehen mag. Du hast keine andere Wahl, weil sie ohne dich noch immer irgendwo tief unter der Erde am Plagenvater hängen würden.«
    »Vielleicht«, sagte Eisarn, und zu Namakans Überraschung klang er nicht gekränkt. »Ich habe damals in bester Absicht gehandelt. Das zählt für mich.«
    »Um Tristborn zu retten.«
    »Tristborn!« Eisarn blies einen lauten Lippenfurz, der gewiss auch noch den letzten Fisch im Silvret in die Flucht schlug. »Ich wusste damals kaum etwas von den Reichen der Menschen. Ich habe es nicht für sie gemacht, sondern für uns. Für mein Volk. Meine Sippe. Darum habe ich meiner Mutter den Schlüssel gestohlen, und nicht weil sich auf der Oberwelt ein paar Langbeine in die Haare gekriegt haben.«
    Lügen. Ausflüchte und Lügen. Hätte ich für jede, die ich auf dieser Reise gehört habe, auch nur einen Taler, könnten wir in einem Prunkwagen nach Silvretsodra fahren. »Du hast es aus reiner Gier getan. Um in Arvids Schatzkammer zu kommen. So hat es Dalarr erzählt.«
    »Und einmal mehr die Hälfte weggelassen«, parierte der Zwerg. »Ich wollte unseren Ehrenschild zurückholen.«
    »Ehrenschild?«
    »Die Unwissenheit der Jugend.« Eisarn schüttelte so heftig den Kopf, dass ihm sein ramponierter Helm ein Stück in den Nacken rutschte. »Als König Erowar – das müsste der Urururgroßvater vom Schlohbart gewesen sein, wenn ich mich nicht irre – den letzten Aufstand der freien Zwerge niederschlug, entführte er den Ehrenschild meiner Sippe und hängte ihn bei sich in der Schatzkammer auf. Es ist der Schild, auf dem wir unsere Sippenmutter in die Kammer der Verschmelzung tragen, wenn es neue Zwerge zu machen gilt. Ohne den Schild kann es keine Verschmelzung geben, und auch keine neuen Zwerge.« Er rückte seinen Helm gerade. »Schau nicht so geklöppelt! Es schert mich nicht mehr. Für meine Sippe bin ich schon tot, und sie ist tot für mich.«
    Namakan rang nach Worten, doch da klatschte Eisarn aufgeregt in die Hände, beugte sich vor und zog an seiner Angel. »Es hat einer angebissen! Es hat einer angebissen!«
    Der große Fang, der dem Lärm am Ufer getrotzt hatte, stellte sich rasch als mickriger Stichling heraus, den Eisarn zurück in den Fluss warf. »Mir ist die Lust vergangen«, grummelte er danach und wickelte seine Angelschnur auf.
    Er bot dabei ein so jämmerliches Bild, dass Namakan ihn mit einer Entschuldigung aufzuheitern versuchte. »Es tut mir leid, dass ich dir Gier unterstellt habe.«
    »Geschenkt!« Kies knirschte unter den Stiefeln des Zwergs, als er ein paar Schritte davonstapfte, um die Rute in den Kahn zu schleudern. »Aber du kannst deinem feinen Meister von mir mal bestellen, dass er die Wahrheit nicht immer wie ein Stück Ton behandeln soll!«
    »Was schreit der Zwerg so?«, erkundigte sich Dalarr bei Namakan, als dieser ins Lager zurückkehrte.
    »Er hat kein Glück beim Angeln«, antwortete Namakan und setzte sich neben Morritbi ans Feuer.
    »Er hat kein Glück bei nichts«, murmelte Dalarr.
    Ammorna hockte etwas abseits, die Hände unter den Achseln, und starrte ins Leere.
    »Frierst du?«, fragte sie Namakan.
    »Meine Hände sind kalt«, gab die Kroka-Dienerin abwesend zurück.
    »Dann wärm sie am Feuer!«, forderte sie Morritbi auf. Ohne Erfolg. Morritbi stand auf, doch sie ging nicht zu der Alten, wie Namakan

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