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Heldenwinter

Heldenwinter

Titel: Heldenwinter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Wolf
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er sich wieder davon losreißen konnte und nach vorn schaute, sah er, dass sein Meister in arge Bedrängnis zu geraten drohte. Zwar gelang es ihm dank kluger Finten und gewagter Ausfälle, zwei seiner Kontrahenten allein mit dem Kurzschwert in Schach zu halten, doch der dritte und letzte Widersacher war im Begriff, sich in seinen Rücken zu stehlen.
    »Nein! Nein! Nein!« Namakan würde nicht erlauben, dass ihm das Schicksal auch noch seinen Meister raubte. Ihm war, als würde er auf seinen stämmigen Beinen förmlich über die Brücke fliegen, solche Flinkheit verlieh ihm die Sorge. Er dachte daran, wie oft er im Winter vor dem Gehöft Holz gehackt hatte, hob die Hellebarde und schlug dem feigen Unhold das Blatt mit voller Wucht in den Hinterkopf. Die Hellebarde im Schädel, wirbelte der Mann herum und riss Namakan, der den Schaft der Waffe mit beiden Händen umklammerte, hoch in die Luft.
    Er schleudert mich über die Brüstung!, schoss es ihm durch den Kopf.
    Dann spürte er wieder raues Holz unter den Sohlen, als dem Getroffenen die Kräfte schwanden und er in die Knie ging. Namakan verharrte reglos und wagte es nicht, die Finger vom Hellebardenschaft zu lösen, während das Blatt Stück für Stück aus dem Kopf des Toten glitt, je weiter der Mann vornüber sackte. Bittere Galle stieg Namakan den Hals hoch. Rache schmeckt nicht süß. Wer das erzählt, hat wohl noch nie viel von ihr gekostet.
    Ein schauriges Stöhnen ließ ihn herumfahren. Ein großer Mensch näherte sich ihm schwankend, die Augen in einem Ausdruck völligen Unglaubens weit aufgerissen, die Hände an den Hals gepresst. Blut spritzte ihm zwischen den Fingern hindurch. Er versuchte, etwas zu sagen, und ganz gleich, ob es nun Flehen oder Fluch sein sollte, es blieb für Namakan nicht mehr als unverständliches Gurgeln. Der Mann setzte sich nach vorn gebeugt auf einen der Strohballen am Geländer und schien nicht zu bemerken, wie das gierig herankriechende Feuer über seine Stiefel leckte.
    Das Trommeln schneller Schritte auf den Brückenbohlen zog Namakans Aufmerksamkeit auf sich. Der Mann mit der Mähne hatte die Flucht vor Dalarr angetreten und war zu der von der Wache errichteten Barriere aus Stroh gerannt, verfolgt von dem Krieger, den er eben noch verspottet hatte.
    Mähnenhaar wollte über das Hindernis flanken, als Dalarr ihn einholte. Gemeinsam prallten sie gegen die Hürde und schlugen eine Bresche hinein.
    Beim Aufrappeln starrte Dalarr einen Moment fassungslos auf die Lücke, als würde er darin etwas sehen, das ihn bis ins Mark erschütterte.
    Sein Gegner, der ihn abgelenkt glaubte, schwang seinen Morgenstern.
    Dalarrs Arm zuckte nach oben. In drei Windungen wickelte sich die Kette des Morgensterns um Dalarrs Unterarm, und die stachelige Kugel kratzte über die Kante der schützenden Schiene, die mit seiner Schulter abschloss.
    Dalarr zog Mähnenhaar zu sich heran und versetzte ihm einen Kopfstoß ins Gesicht. Seinem benommenen Feind entglitt der Griff der Waffe, und kaum hatte Dalarr den Morgenstern von seinem Arm geschüttelt, packte er Mähnenhaar – eine Hand im Nacken, die andere am Hosenboden – und schleifte ihn zum Geländer.
    Im Gegensatz zu dem armen Obristen blieb der große Mensch stumm, als Dalarr ihn auf seine Reise in die Tiefen der Narbe schickte.
    Recht so … Namakan ließ die Hellebarde fallen und eilte zu seinem Meister. »Schnell!«, drängte er. »Wir können es schaffen!« Er zeigte zum anderen Ende der Brücke. »Wir sind schneller als das Feuer.«
    »Sind wir nicht«, keuchte Dalarr, die hohe Stirn nass vor Schweiß und Blut. »Komm!«
    Er hastete zurück in Richtung Brückheim und sammelte unweit des inzwischen lichterloh brennenden Toten mit der durchschnittenen Kehle Swiputir vom Boden auf. Namakan verstand die Welt nicht mehr. Was macht er da? Warum kehrt er um?
    »Schaff deinen fetten Hintern hier rüber!«, bellte Dalarr, während er Blotuwakar unsanft von der Leiche des Mannes befreite, dem er das Schwert in die Beine geschlagen hatte.
    »Aber wieso?«
    »Weil ich es dir sage!«
    Namakan schaute zu den beiden Spuren aus Flammen, die die Strohballenbarriere fast erreicht hatten. Warum will er die Brücke nicht überqueren? Warum will er ausgerechnet dorthin zurück, wo das Pech in den Bohlenritzen schon dampft? Das ist doch verrückt.
    »Muss ich dich erst holen, oder wie?«
    Namakan ächzte. Dalarr war sein Meister und wusste, was richtig für sie war. Er biss die Zähne zusammen und trottete los.
    Als

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