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Heldenwinter

Heldenwinter

Titel: Heldenwinter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Wolf
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auf die Hütte zuzog, und nicht umgekehrt.
    An der Tür angekommen, ließ sie wieder Namakan den Vortritt, als wäre nichts geschehen. Mit dem Bild des im Schnee liegenden Kiefers noch vor Augen trat Namakan über die Schwelle. Im Innern roch es nach Schweiß, Holz und kalter Asche. Die Hütte war karg eingerichtet: drei Stockbetten mit Pelzen zum Zudecken, sechs kleine Truhen aufgereiht an einer Wand, ein Tisch, an dem zwei lange Bänke standen, ein Regal mit Essgeschirr aus Steingut. Und ein Ofen! Das Untrennbare Paar sei mit Küssen überschüttet, ein Ofen!
    Namakan setzte die Rothaarige auf einem der Betten ab und machte sich daran, ein Feuer zu entzünden. Es war alles da: sauber gestapeltes Brennholz, Flint und Zunder. Namakan versuchte, nicht auf die Geräusche zu achten, die von draußen hereindrangen – das Schleifen starrer Leiber über gefrorenem Schnee, den keuchenden Atem und die Flüche seines Meisters.
    Als die ersten Flämmchen züngelten, jauchzte Namakan beinahe laut auf.
    Er hörte ein Geräusch hinter sich und drehte sich um. Die Rothaarige war aufgestanden und hatte den Kopf schiefgelegt, als würde sie einer Stimme lauschen. Ihre Augen verfolgten den Tanz des Feuerscheins, der aus der geöffneten Ofenklappe auf die gegenüberliegende Wand fiel, und sie strahlte glücklich. Nach einem kurzen Moment nickte sie und flüsterte: »Ich weiß, ich weiß.«
    Namakan schauderte es. Sie ist vollkommen verrückt. Am Ende sind es gar nicht Pilze. Am Ende war sie schon vorher verrückt. Hat Kongulwafa nicht gesagt, sie sei freiwillig zu ihr gekommen? Ja, sie ist verrückt.
    Namakan vergewisserte sich, dass das Feuer nicht mehr ausgehen würde, und setzte seinen Rucksack ab. Er hockte sich auf eines der Betten, warf sich einen Pelz über und wartete darauf, dass der Meister draußen fertig war.
    Als Dalarr in die Hütte kam, trug er in jeder Hand ein Paar gefütterte Stiefel. Das eine stellte er vor die Rothaarige, die nach wie vor vom Feuerschein gebannt war, das andere reichte er Namakan.
    Zu seiner Bestürzung stellte Namakan fest, dass seine Hände schon ohne sein Zutun damit begonnen hatten, die nassen Wollstreifen um seine Füße zu lösen. »Was ist nur aus uns geworden, Meister? Leichenfledderer …«
    »Der, dem sie gehört haben, braucht sie nicht mehr«, sagte Dalarr ruhig.
    »Danke, dass du die Leichen fortgeschafft hast.« Namakan schlüpfte in den ersten Stiefel und hätte um ein Haar geweint – nicht aus Trauer oder Ekel, sondern vor Glück. Das wollene Futter der Stiefel war noch kalt, aber das würde nicht lange so bleiben.
    »Wenn die Bar Gripir wiederkommen, um den Rest ihrer Beute zu holen, ist es mir lieber, wenn sie nicht zu nahe an der Hütte sind.« Dalarr trat an den Ofen und wärmte sich die Hände. »Wer weiß, wie viele es sind. Wahrscheinlich ein ganzes Rudel.«
    »Bar Gripir?«, fragte Namakan.
    »Ich weiß nicht, wie sie beim Talvolk heißen.« Dalarr zuckte mit den Achseln. »Könnte sein, dass ihr nicht einmal einen Namen für sie habt. Sie leben in den Bäumen. Stell dir einen riesigen Marder vor, dem zu große Klauen gewachsen sind. Und Häute zwischen den Vorderläufen und den Hinterläufen, auf denen er durch die Luft gleiten kann.«
    »Durch die Luft?«
    Dalarr nickte. »Lästige Viecher. Früher haben sie sich von den Menschen ferngehalten, aber da war der Wald auch noch größer.« Dalarr ging zu einer der aufgereihten Kisten, öffnete sie und wühlte darin herum. »Aber das scheint mir ein harter Winter zu sein, und diese Männer da draußen waren leichtere Beute als ein Waldbulle oder ein Elch.« Er zog einen halben Schinken aus der Truhe und grinste übers ganze Gesicht. »Na bitteschön. Die Bar Gripir sind nicht die Einzigen, die hier gut essen werden.«
    Bei allem Unbehagen, das die Ausführungen zu den Bar Gripir ihm bereitet hatten, gab es eine Frage, die Namakan nun unbedingt stellen wollte. Wenn Dalarr nicht die früheren Ausmaße des Schwarzen Hains erwähnt hätte, wäre sie ihm womöglich erst später in den Sinn gekommen, doch so wollte er die Gelegenheit nicht erneut verstreichen lassen. »Kongulwafa hat mich gekannt. Sie hat mich schon einmal gesehen.« Namakan sprach schnell, damit ihn der Mut nicht verließ. »Aber das kann nicht sein. Ich war doch noch nie in der Welt jenseits der Berge, oder?«
    Dalarr ging schweigend zum Ofen und nahm eine Pfanne und ein langes Messer von den Haken, die darüber hingen. Er setzte sich an den Tisch und schnitt

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