Heldin wider Willen
der Datenwürfel des Majors und die Schiffsunterlagen nicht
zusammenpassten.
Den ganzen Tag, von hastig heruntergeschlungenen
Mahlzeiten abgesehen, verwandte Esmay darauf, das Schiff zu kartographieren und die Ergebnisse mit den beiden di-vergierenden Würfeln zu vergleichen. Major Pitaks Datenwürfel stimmte mit den Fakten überein, außer an einer Stelle weit draußen am Bugende von T-l, auf Deck dreizehn, wo keiner der beiden Würfel die Realität widerspiegelte. Eine Luke war völlig verschwunden und durch ein mit grellen Streifen gestrichenes Schott ersetzt worden. Während Esmay dort stand und sich fragte, was das Muster zu bedeuten hatte, platzte ein
kahlköpfiger dienstälterer Chief geschäftig aus dem nächsten Quergang hervor und lief auf sie zu.
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»Was tun Sie denn … Oh, Verzeihung, Sir! Kann ich Ihnen
helfen, etwas zu finden?«
Esmay entging nicht seine Anspannung … Hier lief eindeutig irgendwas ab. Allerdings war es bislang nicht ihre Aufgabe, das herauszufinden, und so lächelte sie. »Ich bin Lieutenant Suiza«, sagte sie. »Major Pitak hat mich angewiesen, mich bis 8 Uhr am 27. mit dem gesamten Schiff vertraut zu machen, und ich
glaubte, hier oben eine Luke zum Elektroniklager zu finden.«
»Oh … Major Pitak«, sagte der Mann. Offenkundig war
Major Pitak auch außerhalb des eigenen Kommandobereichs
wohl bekannt. »Nun, Sir, die Schiffsdatenbank hat den Stand der Umbauten noch nicht eingeholt. Den Zugang zum
Elektroniklager finden Sie dort.« Er deutete in die Richtung.
»Ich zeige es Ihnen gern.«
»Danke«, sagte Esmay. Als sie sich abwandten, erkundigte sie sich: »Dieses Schottmuster … Ist das etwas, was man uns nicht erklärt hat, oder … ?«
»Das findet man – wahrscheinlich nur auf DSR-Schiffen,
Lieutenant. Sehen Sie, die sind so groß … Der Kommandant hat einige irreguläre Markierungen genehmigt, damit Neulinge sich zurechtfinden.«
»Ich verstehe«, sagte Esmay. »Sehr vernünftig … Ich habe mich schon mehrmals verlaufen.«
Esmay entnahm seinem Tonfall, dass er sich entspannte.
»Das tun die meisten, Lieutenant. Dieses Muster informiert die Leute nur darüber, dass das, was sie auf den Schiffsplänen finden, dort nicht mehr vorhanden ist; sie haben dann also nicht den falschen Weg eingeschlagen, sondern der Weg hat sich verändert.«
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Irgendwie betonte er richtig das Wort »Weg«. Esmay spei—
cherte diese Betonung, um später darüber nachzudenken, und folgte dem Chief erst Richtung Bordwand und anschließend wieder bugwärts, bis zu einer Luke, die unmissverständlich mit ELEKTRONIKLAGER beschriftet war. Unter dieser offiziellen Aufschrift entdeckte Esmay eine weitere:
Konsultieren Sie den Dienst habenden Chief,
ehe Sie irgendwelche Teile mitnehmen:
damit sind SIE gemeint!
Esmay bedankte sich bei ihrem Führer und trat ein. Das Lager glich jedem anderen Lager, das sie bislang gesehen hatte, und war so groß wie seine Gegenstücke auf führenden Stützpunkten.
Gestelle voller Behälter, beschriftet mit den Nummern der enthaltenen Teile; Kästen, in denen die am häufigsten
benötigten Teile lose gestapelt lagen. Ein Jig, den sie noch nicht kennen gelernt hatte, kam aus einem Labyrinth von Gestellen zum Vorschein.
»Sher, bist du … Oh, Verzeihung, Sir.« Esmay wiederholte ihre Erklärung und stellte sich Jig Forrest vor. Er schien recht erpicht, ihr das ganze Lager zu zeigen.
»Ich habe mich gefragt – auf meinem Schiffsplan wird ein anderer Eingang gezeigt.«
»Den gab es vor meiner Zeit«, sagte er. »Ich weiß noch –ich habe mich verirrt, als ich dieses Lager suchte, damals, als sie mich vom 14. heraufschickten. Wir teilen dieses Lagerhaus mit der Ausbildungsabteilung … Die Leute von den Technikerschulen brauchen immer neue Teile in ihren Labors. Deshalb wurde das ganze Lagerhaus umgesiedelt. Ich denke nicht, dass die Schiffspläne ausreichend oft aktualisiert werden, jedenfalls 239
nicht oft genug für ein DSR –da ist es wichtig, sich orientieren zu können. Aber Sie wissen ja, wie das ist, Lieutenant: Niemand fragt Jigs nach ihrer Meinung.«
Esmay lächelte. »Ich tue es sehr wohl. Und ich vermute, so frisch mein neuer Streifen noch ist, dass auch niemand
Lieutenants nach ihrer Meinung fragt.« Jedenfalls nicht bis mitten in einer Meuterei, wenn jeder andere tot war. Aber dieser junge Mann mit seinem frischen Gesicht und dem kupferroten Haar hatte so etwas nicht durchgemacht.
»Sie arbeiten bestimmt für Major Pitak«,
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