Helix
ich?«
Wieder einmal hatte das Schicksal, ob zum Guten oder zum Schlechten, die Hand im Spiel gehabt. Einige Jahre zuvor hatte mich die Fondation Cartier (eine Stiftung für moderne Kunst in Paris) gebeten, etwas für einen Katalog über eine Kunstausstellung zur Jahrtausendwende zu schreiben. Ein Aufsatz sollte eine Sammlung von Spielzeugrobotern behandeln, ein anderer die Gedanken eines Science-Fiction-Autors zur Zukunft und die Kunst der Zukunft. Ich betrachtete die Fotos der Spielzeugroboter und der erstaunlichen Kunstwerke, die für die Ausstellung zusammengetragen worden waren – eine riesige Sammlung mit wundervollen Objekten –, und schrieb die Texte, doch aus verschiedenen Gründen konnten meine Frau und ich nicht als Gäste an der einmonatigen Ausstellung und an den Empfängen teilnehmen. Ich werde immer bedauern, diese Gelegenheit verpasst zu haben. Was meine Texte für den Katalog anging, so nahm ich an, er sei eine Art Loseblattsammlung oder ein gehefteter Band. Es stellte sich jedoch heraus, dass beide Texte (im Original zusammen mit den französischen Übersetzungen) in schönen Hardcover-Ausgaben erschienen sind, die sich auf jedem Wohnzimmertisch gut machen würden.
Der Aufsatz über den Blick des SF-Schriftstellers in die Zukunft erschien in einem Band, in dem auch ein Interview mit dem Filmemacher Andrei Ujica veröffentlicht wurde. Das Interview mit Andrei konnte ich nicht lesen, weil ich die französische Sprache so gut wie gar nicht beherrsche, aber Andrei las meine Beiträge und dachte sich, ich könnte der Richtige sein, um das Drehbuch zu schreiben. Er las dann noch einige meiner Romane, und – voilà!
Einige Monate lang tauschten Andrei und ich uns hauptsächlich per E-Mail und in gelegentlichen Telefongesprächen aus. Seine Ideen für den Film und sein Interesse am Thema – er schlug den Titel The End of Gravity vor, obwohl ich einen Roman mit dem Titel »Phases of Gravity« (dt. »In der Schwebe«) veröffentlicht hatte – waren philosophischer Natur und kompliziert. Die Bandbreite reichte von Gedanken über die menschliche Evolution bis zu Heidegger und Wittgenstein. Seine Anregungen während dieser Telefongespräche kommentierte ich manchmal mit Bemerkungen wie: »Ja, klar, Heidegger ist gut, aber … wir brauchen wirklich noch etwas Sex. Etwas Leidenschaft. Vielleicht auch ein oder zwei Explosionen.«
Andrei war sehr geduldig mit mir. Am Ende bezahlte er mich dafür, einfach anzufangen und zu schreiben, was mir gerade in den Sinn kam. Das habe ich dann auch getan.
Andrei mochte die Rohfassung, und der nächste Schritt, nachdem diese Einführung hier geschrieben ist, wird darin bestehen, das endgültige Drehbuch zu verfassen. Er will Dustin Hoffman für die Rolle des Norman Roth gewinnen.
Wir werden sehen. Wie ich schon mehrmals zu Freunden oder Journalisten gesagt habe, die wissen wollten, wann man Dan-Simmons-Texte verfilmt auf der Leinwand sehen kann: »Ich glaube es, wenn ich im Kino Popcorn esse und der Abspann läuft.«
Ich muss an dieser Stelle etwas abschweifen.
Vor ein paar Jahren haben Karen und ich uns mit Stephen und Tabitha King in ihrem gemieteten Haus in der Nähe von Boulder getroffen, als eine kleine, seltsame Geschichte passiert ist. Es war Frühling, und King war gerade damit beschäftigt, für ABC seinen Roman » The Shining« in eine Miniserie umzuwandeln. Die Aufnahmen fanden im Stanley Hotel im Estes Park statt, nur wenige Meilen von meinem Blockhaus entfernt. Er und Tabby hatten also in Boulder für mehrere Monate ein Haus gemietet und uns eingeladen, gemeinsam ein paar Videoaufnahmen anzusehen – darunter eine wundervolle Szene, die aus der endgültigen Fassung herausgeschnitten wurde, in der Steve mit weißer Fliege und Frack als toter, verwesender Bandleader gezeigt wird. Man kann sehen, wie sein verwesendes Gesicht buchstäblich auseinanderfliegt, doch dem Maskenbildner geht es nicht schnell genug – er langt an der Kamera vorbei und zerrt am Make-up, bis das Blut und das Gewebe in alle Richtungen spritzt.
Mitten in dieser Szene – wir kauten alle Popcorn und lachten – wechselten Steve und ich einen Blick, und wir mussten breit grinsen (ich gestehe, dass sein Grinsen noch etwas verrückter ist als meines).
»Verdammt auch«, sagte ich, »haben wir nicht den schönsten Job der Welt?«
»Und sie bezahlen uns auch noch dafür«, erwiderte Steve.
Genau.
Wir wussten ganz genau, wovon der andere sprach. Wir redeten in diesem Moment nicht
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