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Helix

Helix

Titel: Helix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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überhaupt Lehrer werden wollte, abgesehen von der Vorstellung, dass dieser Beruf der größte nur denkbare Gegensatz dazu war, mit einem Rucksack durch Vietnam zu rennen –, stellte ein Dozent folgende Fangfrage: »Möchten Sie lieber der Weise auf der Bühne oder der Führer am Rande sein?« Es gab angeblich zwei Sorten Lehrer – den »Weisen«, der herumlief wie ein Krug des Wissens, das sich gelegentlich in die leeren Behälter, also in die Köpfe der Schüler, ergoss, oder der »Führer«, der den Schüler zum Wissen leitete, indem er die Neugierde und den Forschergeist des jungen Menschen förderte. Die richtige Antwort auf die Fangfrage war, dass ein guter Lehrer der »Führer an der Seite« sein sollte, der dem Schüler sein Wissen nicht überstülpt, sondern dem Kind bei der Selbstfindung hilft.
    Ich lernte allerdings bald, dass die einzige Art, das Lehren zu genießen, die Rolle des Weisen auf der Bühne war. Ich kippte Wissen und Fakten, Einsichten und Fragen und Zweifel und alles andere, was ich mit mir herumschleppte, direkt aus meinem überbordenden Füllhorn in die etwa fünfundzwanzig leeren Behältnisse aus. Das machte im sechsten Schuljahr besonders viel Spaß, weil die Schüler noch nicht so sehr durch soziale Elchpisse und krasse Desinformation verdorben waren.
    Glücklicherweise gab es eine Menge Dinge, für die ich mich sehr interessierte, über die ich einiges wusste und die ich den Kindern unbedingt vermitteln wollte: meine Leidenschaft für Geschichte und Literatur, meine Begeisterung für die Raumfahrt und die Fliegerei, meine College-Ausbildung in Umweltwissenschaften, meine Vorliebe für interessante Architektur, meine Fähigkeit, Geschichten zu zeichnen und zu erzählen, meine Faszination für Dinosaurier und Geologie, meine Begeisterung für das Schreiben, reichlich Erfahrung mit Computern, mein Hass auf den Krieg, gepaart mit einer Besessenheit von allen militärischen Dingen, unmittelbare Erfahrungen mit einigen entlegenen Orten der Welt, der Wunsch, zu reisen und alle entlegenen Orte der Welt zu sehen, ein guter Orientierungssinn, ein etwas abartiger Humor, ein großes Interesse für das Leben wichtiger historischer Persönlichkeiten wie Lincoln, Churchill und Hitler oder auch Kennedy und Madonna, ein Hang zur Dramatik. Und eine Liebe für die Musik, die mich an warmen Tagen im Herbst oder Frühling oft dazu trieb, meine Sechstklassler in den Park auf der anderen Straßenseite zu führen. Mit sechzig Fuß Verlängerungskabel aus dem Lager der Schule schloss ich dort meine Mini-Anlage an die Steckdose in der Nähe der Parktoilette an und spielte Vivaldi, Beethoven oder Rachmaninow, worauf sich die anderen Lehrer aufgebracht beschwerten, sie hätten die Fenster der Klassenzimmer schließen müssen, damit ihre Schüler nicht abgelenkt wurden …
    Ich hatte genügend Leidenschaften, um sechsundzwanzig Jahre lang der Weise auf der Bühne zu sein. Einige dieser Jahre, so die Inschrift auf einem Grabstein, den ich einmal sah, waren gut.
    Einer der Vorfälle mit Kelly Dahl, an die ich mich erinnere, ereignete sich in der Öko-Woche, die vom Bezirk für die Sechstklassler vorgeschrieben war, solange es noch Geld dafür gab. Schon Wochen vor dem Ausflug begannen wir mit Umweltthemen, doch die Schüler erinnerten sich später vor allem an den dreitägigen Trip zu einer alten Hütte in der Front Range der Rockies. Der Bezirk bezeichnete diese drei Tage und zwei Nächte, die mit Wandern und Experimenten ausgefüllt waren, als Umweltschutzprojektwoche. Die Kinder und Lehrer nannten den Ausflug einfach Öko-Woche.
    Ich erinnere mich an einen warmen Tag Ende September. Ich war mit Kelly Dahls Klasse in die Berge gefahren, und die Kinder hatten ihre Kojen im zugigen alten Blockhaus belegt. Wir hatten den ersten Orientierungsmarsch hinter uns, und in der Stunde vor dem Mittagessen versammelte ich die Klasse etwa eine Viertelmeile vom Blockhaus entfernt an einem von Bibern aufgestauten Teich, um pH-Werte zu bestimmen und mein Programm als »weiser Wissenschaftler« abzuspulen. Ich wies auf die Weidenröschen hin, die am zerwühlten Ufer wucherten – Epilobium angustifolium. Ich ließ immer wieder mal die lateinischen Namen einfließen und gab den Kindern den Auftrag, am Ufer oder auf der Wasserfläche einige der baumwollähnlichen Samen zu suchen. Dann wies ich sie auf die goldenen Blätter der Espen hin und erklärte, warum sie so schimmerten und dass das Blatt an einem beweglichen Stiel saß und

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