Helix
entgegen – glänzende Augen, Zahnspangen, eigenartige Frisuren, die vor einem Jahrzehnt in Mode gewesen waren. Alle waren da. Alle außer Kelly Dahl.
»Kelly Dahl«, wiederholte Mrs. Collins, als ich aus dem Keller kam und sie fragte. »Kelly Dahl. Seltsam, Mr. Jakes, aber an ein Kind dieses Namens kann ich mich nicht erinnern. Kelly Daleson, doch das war mehrere Jahre, bevor Sie gegangen sind. Und Kevin Dale … aber das war ein paar Jahre, bevor Sie hier angefangen haben. War er lange hier? Es könnte doch ein Schüler sein, der gewechselt hat und bald schon wieder woandershin wechselte, auch wenn ich mich gewöhnlich an alle Schüler erinnere …«
»Sie«, sagte ich. »Es war ein Mädchen. Und sie war mehrere Jahre hier.«
Mrs. Collins runzelte die Stirn, als seien meine Zweifel an ihrem Erinnerungsvermögen eine persönliche Kränkung. »Kelly Dahl … Ich glaube nicht, Mr. Jakes. Ich erinnere mich an die meisten Schüler. Deshalb habe ich ja Mr. Pembroke auch gesagt, dass dieses Ding da überflüssig ist.« Sie deutete geringschätzig auf den Computer auf ihrem Schreibtisch. »Sind Sie sicher, dass das Kind in einem Ihrer sechsten Schuljahre war? Nicht jemand in der Highschool oder jemand, den Sie … den Sie später kennengelernt haben?« Sie schürzte die Lippen, nachdem sie den drohenden Fauxpas mit knapper Not umschifft hatte.
»Nein«, sagte ich. »Ich hatte mit ihr zu tun, bevor ich gefeuert wurde. Hier in der Schule. Jedenfalls dachte ich das.«
Mrs. Collins fuhr sich mit den Fingern durch die blau gefärbten Haare. »Vielleicht irre ich mich ja auch, Mr. Jakes.« Sie sagte es in einem Tonfall, der diese Möglichkeit kategorisch ausschloss.
Die Akten der Highschool bestätigten Mrs. Collins. Auch dort hatte es keine Kelly Dahl gegeben.
Der Manager im Trailerpark erinnerte sich nicht an die drei Leute. Seine Akten und seine Erinnerung belegten sogar, dass das ältere Paar in dem Trailer, den ich für den der Dahls hielt, schon seit 1975 dort lebte.
Bei der Boulder Daily Camera gab es keine Mikrofilme mit Berichten über den Mord an Patricia Dahl, und die Anrufe in North Platte und Omaha ergaben, dass in den letzten zwölf Jahren niemand mit Namen Carl Reems verhaftet worden war.
Ich saß auf der Terrasse vor meiner Wohnung, betrachtete den Sonnenuntergang hinter den Flatirons und dachte nach. Als ich Durst bekam, genügte mir eiskaltes Wasser. Ich dachte an den Jeep und die Campingausrüstung unten in der Parkbucht. Auf dem Rücksitz hatte ein Remington-Gewehr gelegen, im blauen Rucksack ein 38er Revolver. Ich hatte nie ein Gewehr oder eine Pistole besessen.
»Kelly«, flüsterte ich schließlich. »Diesmal bist du wirklich ganz weit weggegangen.«
Ich zog meine Geldbörse hervor und betrachtete das einzige Foto von Allan, das Marias Säuberungsaktion überlebt hatte. Das Passfoto zeigte meinen Sohn als Fünftklässler. Nach einer Weile steckte ich das Foto und die Geldbörse wieder weg und ging hinein, um zu schlafen.
Wochen vergingen. Zwei Monate. Der Sommer Colorados ging langsam in den Frühherbst über. Die Tage wurden kürzer, aber angenehmer. Nach drei schwierigen Vorgesprächen bot mir eine Privatschule in Denver einen Job an. Ich sollte im sechsten Schuljahr unterrichten. Die Schule kannte meine Vorgeschichte, aber offenbar war man der Meinung, ich hätte mich wieder gefangen. Am Freitag war das letzte Vorstellungsgespräch, und man sagte mir, man werde mich am nächsten Tag, am Sonnabend, anrufen.
Sie hielten Wort. Ehrlich erfreut boten sie mir den Job an. Vielleicht wussten sie, dass es ein neuer Start für mich werden sollte, ein neues Leben. Meine Antwort überraschte sie.
»Nein danke«, sagte ich. »Ich habe es mir anders überlegt.« Ich wusste inzwischen, dass ich nie wieder elfjährige Schüler unterrichten konnte. Sie hätten mich zu sehr an Allan oder an Kelly Dahl erinnert.
Es folgte ein schockiertes Schweigen. »Vielleicht möchten Sie noch einen Tag darüber nachdenken?«, schlug Mr. Martin, der Schulleiter, vor. »Das ist eine wichtige Entscheidung. Sie können uns auch am Montag anrufen.«
Ich wollte »nein« sagen und erklären, dass ich mich bereits entschieden hatte, aber dann vernahm ich im Kopf die Worte: Warte bis Montag. Entscheide es heute noch nicht.
Ich hielt inne. Seit ich von Kelly Dahl zurück war, hörte ich auch meine eigenen Gedanken als deutliche innere Stimme. »Mr. Martin«, sagte ich schließlich, »vielleicht ist das eine gute Idee. Wenn es
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