Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Helle Barden

Helle Barden

Titel: Helle Barden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
Schiefer.
    Angua drehte sich um und schnappte nach Luft. Sie hatte den Atem
    angehalten – aus Furcht, daß ihr Gaspode in die Lunge geriet.
    Der Große Fido bellte zornig.
    »Feiglinge! Es sind nicht einmal sechs Meter! Eine Kleinigkeit für einen
    Wolf!«

    Die Hunde starrten auf die Leere zwischen den beiden Dächern. Gele-
    gentlich hat ein Hund das Recht, sich zu fragen: Zu welcher Spezies ge-
    höre ich?
    »Es ist ganz einfach! Ich zeige es euch! Paßt auf!«
    Der Große Fido nahm Anlauf, sauste los und… sprang.
    Seine Flugbahn ließ sich kaum als Kurve bezeichnen. Der kleine Pudel
    raste in den nur von Luft gefüllten Raum. Seine Antriebsenergie rührte
    weniger von seinen Muskeln her als von seiner brennenden Seele.
    Seine Vorderpfoten berührten Schiefer, tasteten ohne Halt hin und
    her. Der Große Fido rutschte zurück, über den Rand des Daches…
    … und blieb dort hängen.
    Er blickte nach oben, zu dem Hund, der ihn festhielt.
    »Gaspode? Bist du das?«
    »Ja«, lautete die mit vol em Mund gegebene Antwort.
    Der Pudel schien kaum etwas zu wiegen, doch Gaspode auch nicht. Er
    hatte nach dem Pudel geschnappt und versuchte jetzt, sich irgendwo
    abzustützen, aber das Dach war viel zu glatt. Er schlitterte über die
    Schieferplatten, bis er mit den Vorderpfoten in der Regenrinne hängen-
    blieb, die langsam nachgab.
    Deutlich sah Gaspode die Straße drei Stockwerke unter sich.
    »Oh, Mist !« kommentierte er die Situation.
    Jemand hielt ihn am Schwanz fest.
    »Laff ihn lof«, sagte Angua undeutlich.
    Gaspode versuchte, den Kopf zu schütteln.
    »Hör auf fu fappeln!« wies er den Pudel an. »Braver Hund, Retter in
    der Not! Tapferer Hund, Retter auf dem Dach! Nein!«
    Die Regenrinne knirschte und knackte.
    Es ist soweit, dachte Gaspode. Hier findet mein trauriges Leben ein
    trauriges Ende…
    Der Große Fido wand sich hin und her.
    »Woran hältst du mich fest?«
    »Am Halsband«, preßte Gaspode zwischen den Zähnen hervor.

    »Was? Verdammtes Ding!«
    Der Pudel zappelte noch heftiger und trat nach leerer Luft.
    »Hör endlich auf damit, du Blödmann!« knurrte Gaspode. »Wenn du fo
    weitermachft, ftürfen wir beide in die Tiefe.« Auf dem Dach gegenüber
    starrten die Hunde vol er Entsetzen.
    Erneut quietschte die Regenrinne.
    Anguas Kral en hinterließen weiße Linien auf dem Schiefer.
    Der Große Fido strampelte, krümmte sich zusammen und streckte sich
    wieder, kämpfte gegen den Griff des Halsbands.
    Das schließlich riß.
    »Frei!«
    Und er fiel.
    Gaspode wurde jäh nach hinten gerissen. Etwas höher auf dem Dach
    ließ das Zerren an seinem Stummelschwanz nach, und er schaffte es aus
    eigener Kraft zum First. Dort verharrte er und schnaufte hingebungsvol .
    Angua sprang über die nächste Gasse hinweg, bevor sich der rote
    Schleier vor Gaspodes Augen auflöste.
    Der spuckte das Halsband des Großen Fido aus. Es rutschte die Schie-
    ferplatten hinunter und über den Dachrand.
    »Oh, danke!« rief er. »Herzlichen Dank! Ja, laß mich ruhig al ein! Ob-
    wohl ich ein krankes Bein habe! Mach dir nur keine Sorgen um mich!
    Wenn ich Glück habe, stürze ich in den Tod, bevor ich verhungere. Das
    ist die Geschichte meines Lebens! Du und ich, Mädchen! Wir hätten es
    zusammen geschafft!«
    Er drehte sich um und sah hinüber zu den Hunden jenseits der Leere.
    »Ihr da!« bel te er. »Verschwindet! Kehrt heim! BÖSER HUND!«
    Vorsichtig trippelte er über die andere Seite des Daches. Auch dort gab
    es eine Gasse – und keine Möglichkeit, nach unten zu klettern. Gaspode
    setzte den Weg über die Schieferplatten fort, bis er das nächste Gebäude
    erreichte. Auch dort entdeckte er keine Treppe, aber eine Etage weiter
    unten einen Balkon.
    »Spielerisches Denken«, murmelte er. »Darauf kommt’s an. Ein Wolf,
    ein ganz normaler Wolf springt. Und wenn er nicht springen kann, sitzt

    er fest. Mir dagegen steht überlegene Intelligenz zur Verfügung. Ich kann die Situation sorgfältig analysieren und dann mit Hilfe rationaler Gedanken eine Lösung finden.«
    Gaspode stieß eine Steinfigur neben der Regenrinne an.
    »At ill’t u?«
    »Wenn du mir nicht da runter zu dem Balkon hilfst, pinkel ich dir ins
    Ohr.«

    GROSSER FIDO?
    »Ja?«
    BEI FUSS.

    Es entstanden zwei Theorien über den Tod des Großen Fido.
    Die erste basierte auf den Beobachtungen von Gaspode. Sie ging da-
    von aus, daß die sterblichen Überreste des Pudels vom Stinkenden Alten
    Ron gefunden und an einen Kürschner verkauft wurden. Es

Weitere Kostenlose Bücher