Helter Skelter - Der Mordrausch des Charles Manson
Sie einfach nur die Frage, Brenda.«
A: »Ja, das würde ich.«
F: »Würden Sie im Zeugenstand für Charles Manson lügen, Brenda?«
A: »Nein, ich würde im Zeugenstand die Wahrheit sagen.«
F: »Demnach würden Sie für ihn sterben, aber nicht lügen?«
A: »Ja.«
F: »Ist in Ihren Augen das Lügen unter Eid schlimmer als das Sterben, Brenda?«
A: »Ich persönlich nehme das Sterben nicht zu ernst.«
Alle diese Zeugen waren ihren leiblichen Familien gegenüber eher feindselig eingestellt. So behauptete beispielsweise Sandra Good, ihr Vater, ein Börsenmakler aus San Diego, wolle nichts mehr mit ihr zu tun haben, vergaß dabei jedoch zu erwähnen, dass es erst dazu gekommen war, als er ihr Tausende von Dollar geschickt hatte und Manson ihn für den Fall, dass er nicht noch mehr schicken würde, bedroht hatte.
Die Zeugenaussagen offenbarten, dass Manson ihre Nabelschnur zertrennt und sie umso abhängiger von sich selbst gemacht hatte. Mehr noch als Squeaky und Brenda erging sich Sandy schwärmerisch in Erzählungen über Mansons »magische Kräfte«. Sie berichtete, dass Charlie einem toten Vogel Atem eingehaucht und ihn zum Leben erweckt habe. »Ich glaube, wenn er wollte, könnte er mit seiner Stimme dieses Gebäude zum Einsturz bringen … Einmal hat er gebrüllt, da ist dann ein Fenster zerbrochen.«
Erst bei der Verhandlung zum Strafmaß erfuhren die Geschworenen von der Wache der Family-Mitglieder an der Ecke Temple Road, Broadway. Irgendwie rührend beschrieb Sandy ihr Leben auf der Straße. »Vor lauter Smog kann man die meiste Zeit kaum den Himmel sehen. Ständig graben sie irgendwo, jeden Tag arbeiten sie irgendwo an einem neuen Bauvorhaben, irgendwo wird immer gebaut. Immer reißen sie etwas raus und bauen es wieder ein, und alles aus Beton. Es ist verrückt da draußen. Es ist der reine Wahnsinn, und je länger ich da draußen bin, desto mehr fühle ich dieses X. Ich bin aus dem Ganzen ausgeixt.«
Nachdem ich es abgelehnt hatte, Sandy ins Kreuzverhör zu nehmen, fragte sie mich aufgebracht: »Wieso haben Sie mir keine Fragen gestellt?«
»Weil Sie nichts gesagt haben, was der Anklage geschadet hätte, Sandy«, erwiderte ich. »Im Gegenteil, Sie haben ihr geholfen.«
Eigentlich hatte ich erwartet, dass Sandy behaupten würde, Manson sei zur Zeit der Morde nicht auf der Spahn Ranch gewesen. Da sie dies nicht tat, wusste ich, dass die Gegenseite den Gedanken an eine auf einem Alibi basierende Verteidigung aufgegeben hatte. Das hieß aber, dass sie etwas anderes vorhatte. Aber was?
Manson und die drei weiblichen Angeklagten waren im Verhandlungsabschnitt zum Strafmaß wieder zugelassen. Inzwischen waren sie deutlich stiller und zurückhaltender, so als sei es inzwischen bis zu ihnen durchgedrungen, dass sie dieses »Theater«, wie Krenwinkel es genannt hatte, das Leben kosten konnte. Während der Zeugenaussagen von Squeaky und den anderen Manson-Mädchen blickte ihr Mentor nachdenklich vor sich hin und zupfte an seinem Ziegenbart, als wollte er sagen: Sie erzählen es so, wie es ist.
Die weiblichen Zeugen trugen zu diesem Anlass ihre besten Kleider. Es war nicht zu übersehen, dass sie stolz und glücklich darüber waren, aussagen und Charlie helfen zu können.
Sämtlichen Geschworenen war nur eines anzusehen – nämlich ungläubiges Staunen. Nur wenige fanden es der Mühe wert, sich überhaupt Notizen zu machen. Ich vermutete, dass sie alle über den gleichen seltsamen Gegensatz nachdachten: Im Zeugenstand redeten die Mädchen von Liebe, Musik und Babys, und doch zog dieselbe Gruppe los und schlachtete Menschen ab. Und das Unfassbare war, dass für diese jungen Leute darin kein Widerspruch zu liegen schien – es gab keinen Konflikt zwischen Liebe und Mord.
Bis zum 4. Februar war ich aufgrund der Fragen, die Kanarek den Zeugen gestellt hatte, ziemlich sicher, dass Manson nicht selbst aussagen würde. Das war meine größte Enttäuschung im gesamten Verfahren, dass ich nicht die Chance bekommen sollte, Charlie im Kreuzverhör in die Mangel zu nehmen.
An diesem Tag erfuhr unser Büro, dass Charles »Tex« Watson nach Los Angeles zurückgebracht und für verhandlungsfähig erklärt worden war.
Bereits drei Tage nach seiner Überstellung in die Anstalt in Atascadero hatte Watson wieder begonnen, regelmäßig Mahlzeiten zu sich zu nehmen. Nach einem Monat schrieb einer der Psychiater, die ihn behandelten: »Derzeit gibt es keine Anzeichen von abnormem Verhalten außer seinem Schweigen, das
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