Hendlmord: Ein Starnberger-See-Krimi (German Edition)
nicht ausgeschaltet habe. Nicht nur im Hirn blinkt es ständig, auch der Tiger signalisiert eine Richtung. Und plötzlich fällt mir ein, wo der Schlüssel liegt.
Unser Hof scheint ausgestorben. Kein Fuggerjakl empfängt mich mit seinem Kikeriki, auch die gefiederten Hofdamen sind für immer von uns gegangen. Nur Sophies Rosen klettern still mit dicken Knospen an der Hauswand und am Pavillon hoch. Bald hüllen sie alles ein. In ein paar Wochen duftet unser Hof wie die Roseninsel. So sparen wir uns sogar die Überfahrt zum König Ludwig und der Sisi ihrer Sommerresidenz. Bei uns sieht es wie in diesem Märchen aus, worin alle schlafen, hundert Jahre oder so. Das wäre mir jetzt auch recht, mir haut’s gerade die Jalousien vor Müdigkeit runter. Aber nichts da, ich hab keine Zeit für ein Nickerchen. Die Herde döst im Stall, ich brauche gleich ihre Hilfe, damit es dem Fidl besser geht, aber erst muss ich die Sophie anrufen. Also stell ich den Tiger in die Einfahrt, geh ins Haus und wähle ihre Handynummer. Ihre Nummer wird mir angesagt, ich warte. Mit dem Telefon in der Hand schau ich nach der Emma, horche an der Zimmertür, nichts. Als ich die Klinke drücke, ist noch immer abgesperrt. Bestimmt schläft sie. Schlaf ist die beste Medizin. Bei Sophie ist die Mailbox dran, was sag ich nur auf die Schnelle? Meine Liebste hat mit ihrer ersten Mordermittlung gerade genug um die Ohren, ich probiere es später noch mal. Also gehe ich wieder raus, treibe die zwanzig Mutterschafe, den Schafbock und die drei Ziegen auf die Weide. Bis die Schafe ihren Job getan haben, will ich die Messer schärfen, damit ich gleich nach der Krankenhausfahrt scheren kann. Also runter in den Keller, wo die Schleifmaschine steht. Ich drehe am Schalter, er knirscht und federt nach rechts und links, aber kein Licht flammt auf. Der Fidl hat zwar gesagt, dass er in der Nacht wieder keinen Strom hatte, denn das Verlängerungskabel für den Bus läuft über unseren Keller nach draußen. Aber komisch, vorhin, als ich den Chiller gefüttert habe, ging das Licht doch wieder. Wahrscheinlich ein Wackelkontakt. Ich probiere es in der Küche, dort funktioniert es. Beim Verteiler im ersten Stock sehe ich, dass die Sicherung schuld ist. Ich tausche also eine neue gegen die kaputte aus. Langsam hab ich keine Porzellanteile mehr. Als ich eine der letzten reindrehe, fliegen die Funken. Es wird Zeit für den Elektriker, hier kann ich nicht mehr selbst herumbasteln. Strom liegt mir nicht besonders. Ehrlich gesagt hab ich sogar einen Heidenrespekt davor. Lieber schnappe ich mir das Telefon aus der Küche, suche das Telefonbuch, das ich schließlich in Emils Zimmer finde, und rufe beim Windhammer an. Der Moritz geht dran, der ältere Bruder vom Elektriker-Xand. Er arbeitet im Laden und verspricht, dem Xand auszurichten, dass der mal vorbeischaut.
«Schauen ist mir zu wenig», versuche ich ihn festzunageln. «Ich brauch ihn schon konkret, möglichst demnächst, nicht später, sondern früher. Wann also genau?»
«Versteh schon, bis gestern also, da bist du aber nicht der Einzige.» Der Moritz schnalzt mit der Zunge oder mit einem Kaugummi, so klingt es jedenfalls. «Beim Postwirt ist die Solaranlage ausgefallen, da stiefelt der Xand gerade auf dem Dach herum, danach ist bis drei bei uns geschlossen und dann …» Ich höre ihn tippen, vielleicht ist es auch nur die Fernbedienung, im Hintergrund kommentiert jemand ein Fußballspiel. Ich warte. Durch Emils Fenster hast du einen Rundblick übers ganze Dorf. Die bemalte Defreggervilla ist der höchste Punkt, dann kommt die neue katholische Kirche, St. Pius, und ein paar Bäume weiter die alte St. Ulrich mit dem Zwiebelturm. Darin hab ich zur Sophie vor fünfzehn Jahren und ein paar zerquetschten ja gesagt. Na ja, nicht direkt Ja, es war mehr ein Röcheln, ich hab’s kaum rausgebracht, weil ich so nervös war und es innerlich so oft geübt hatte. Aber lass dir mal den halben Ort zuschauen, wenn du zwei Buchstaben deines Herzens rausbringen sollst. Nicht leicht. Beim Hühnerstall bewegt sich was. Ich schaue genauer hin.
«Also, nachmittags muss er sich noch um die Beleuchtung für die Lange Tafel kümmern, heute geht nichts.» Ich zucke zusammen, wie mir der Moritz plötzlich ins Ohr fährt, ihn am Telefon hab ich schon fast vergessen. «Doch, hier hab ich noch was.»
«Und was?» Ich hör ihn wieder Schnalzen, Kaugummi oder Unterlippe, das ist hier die Frage.
«Versprechen kann ich nichts, aber morgen tut sich eine
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