Hendlmord: Ein Starnberger-See-Krimi (German Edition)
Fuggern gewesen sein könnte. Wie vermutet liegt der Autoschlüssel im Gras und ist dem Fidl bei seinen Morgenübungen aus der Tasche gefallen. Auf dem großen grünen Samtkissen, voll frischer Kräuter, präsentiert er sich, die Schafe haben die Stelle freigefressen. Ehe wir abfahren können und bis der Pflaum endlich sein Auge geholt hat, mache ich mich noch ausgehfein. Bevor ich die Stallhose gegen eine frische Jeans tausche, hole ich die Krallen vom Fuggerjakl aus der Tasche und öffne das Badofentürl. Da fällt mir was auf. Ich betrachte die Gockelfüße genauer. Die Wundränder sehen nicht wie abgebissen oder abgerissen, sondern wie abgeschnitten aus. Ich seufze. Was geschehen ist, ist geschehen. Mit einem letzten andächtigen Gruß werfe ich sie in den Ofen, übergebe sie dem Feuer, und tausche meine Gummistiefel gegen die Haferlschuhe. Dann lüfte ich noch ein bisschen den Bus, räume dem Fidl seinen Verhau zur Seite und leere den Aschenbecher. Ein Buch liegt auf dem Beifahrersitz.
Cooking for Everybody
. Seit wann liest mein Schwiegervater englische Kochbücher? Kann er überhaupt Englisch?
«Ach, das hab ich ihm geliehen», sagt der wieder zweiäugige Pflaum, der gschwind wie der Wind hinter mir auftaucht, mit einer Tafel Schokolade für die Emma in der Hand. Auge um Auge, Zahn um Zahn. Sein Glasauge lag im Gebissglas, meine Tochter hat recht gehabt. Er nimmt mir das Buch aus der Hand und schiebt es in seinen Rucksack. Große Beutel haben sie übrigens alle dabei. Berta und Erna brauchen die für ihren Wollvorrat und dann fürs Fertiggestrickte, wenn wir wieder zurück sind. Die anderen Beutel sehen relativ leer aus, deshalb glaub ich, es geht auf eine Einkaufstour. Emma hab ich mit einer juckreizlindernden Tannenmilch eingerieben, was sie noch blasser, ja fast durchsichtig scheinen lässt. Wie ein gläserner Fliegenpilz sieht sie aus. Kann ich ihr so eine Fahrt wirklich zumuten? Sie kuschelt sich samt Stoffschaf Kohl auf Fidls Schlafkanapee. Die Pflaum Burgl nimmt mir meine Bedenken, als sie sich bereit erklärt, sich um Emma zu kümmern. Schon lange wünscht sie sich sehnlichst ein Enkelkind, aber wenn sie den Willi nicht endlich abstillt, wird das wohl nichts. Überhaupt sieht Fidls Behausung mit dem angeschraubten Stuhlsammelsurium um den kleinen Tisch, auf dem der Pflaum und der Melcher ihr Backgammon aufklappen, wie ein plüschiges Wohnzimmer aus. Es gibt Kaffee und Tee aus mitgebrachten Thermoskannen, dazu die neuesten Experimentierkekse, und die schmecken gar nicht schlecht. Die Gretl legt mir ein paar aufs Armaturenbrett. Kein Wunder, dass die
Gemeinsam Dabeiseier
dieses Gefährt bevorzugen. Ist ja nur das eine Mal und heute und wegen dem Fidl und überhaupt, sag ich mir vor, um das Blinken in meinem Hirn abzustellen. Am alten Rathaus beim Seniorentreff sammeln wir die restlichen Ausflügler ein. Ich steige aus und geh hinein, da ich draußen noch keinen sehe. Der Panscher und die Ayşe schrubben die Küchenzeile, als müssten sie ein Labor sterilisieren. Der Apotheker trägt zwar kein Kopftuch, aber beide stecken in einem Gummianzug mit Kapuze.
«Gestern sind ein paar Rezepte verunglückt», nuschelt er, bis er den verhakten Reißverschluss aufkriegt, den er bis zur Nase raufgezogen hat. «Es ist alles nicht so leicht, wie’s in den Kochshows aussieht. Fernsehen und Wirklichkeit, das gibt Krusten in den Töpfen. Wenn so ein Promi mal was verpatzt, stellen die ihm eine neue Bratpfanne hin, oder bei was Gröberem gleich ein neues Studio. Die Kamera schwenkt kurz weg und schwupp, der Zuschauer hat nichts gemerkt. Aber unsereins muss putzen.»
«Was sind das bloß für Monstertorten gewesen, dass ihr gleich die ganzen Räume desinfizieren müsst?», frage ich. Gelber Rauch hat sich in den Gardinen festgehängt. Trotz scharfer Reinigungsmittel riecht es, als hätte es wer nicht mehr rechtzeitig aufs Klo geschafft.
«Abwarten.» Der Panscher grinst nur.
Endlich legt auch Ayşe den Wischlappen zur Seite. Beide steigen aus ihren Schutzanzügen und in den Bus. Über eine Rampe schiebe ich den Rossi, der gleich neben dem Seniorentreff wohnt, mit seinem Rollstuhl ins Innere, und als sie es sich alle bequem gemacht haben, geht es los. Erst mal nur aus dem Dorf hinaus, ich schwenke gleich links Richtung Maising, unterquere die Umgehungsstraße, dann fahren wir querfeldein zum Bene seinem Einsiedlerhof. Dort öffnet mir der Emil. Mir fallen fast die Augen raus. «Bist du nicht in der Schule?»
«Doch,
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