Hendlmord: Ein Starnberger-See-Krimi (German Edition)
aber wir hatten früher aus.» Er kramt einen Zettel aus der Hosentasche. Da steht, die Eltern sollen zur Kenntnis nehmen, dass die Schüler wegen einer Lehrerkonferenz heute bereits um 10 . 30 Uhr aushaben. Das Ganze hätte er mir laut Datum vor einer Woche zeigen sollen. Obendrein ist der untere Teil, wo die Unterschrift hingehört, abgeschnitten.
«Und wer hat unterschrieben?», frage ich, aber ich kann mir die Antwort denken.
«Deine Unterschrift ist fei nicht schwer. Ich mach das auch nur in Ausnahmefällen, ehrlich.»
«Das hat Folgen, sag ich dir.» Welche, weiß ich noch nicht, aber ich lasse mir was einfallen.
Emil verzieht das Gesicht, ganz nach Sophie-Art. «Ach, Papa.»
Ich versuche, einen strengen Blick aufzusetzen, und runzle die Brauen. Der Bene huscht geschniegelt und herausgeputzt hinter meinem Sohn vor. Eine Tolle kriegt er mit seinem Flaumhaar zwar nicht mehr zusammen, aber einen in gleichmäßige Wellen gekämmten Kranz, der seinen Schädel einfasst wie eine Waffel eine Kugel Eis. Ein bisschen Rasierschaum klebt unter seiner Nase. Er hat sich eine Fliege umgebunden und trägt einen karierten, etwas zu kurzen Anzug, sodass seine verschieden farbigen Socken zwischen Hosensaum und Schuhen hervorlugen, fesch!
«Dein Sohn ist ein ganz Lieber. Hilft mir, räumt auf, kocht mir was und so.»
Der Emil und Putzen, das kann er doch wegen seiner Hausstauballergie gar nicht, jedenfalls, wenn ich ihn zu Hause frage. Und kochen tut er auch noch. Dabei hat der Bene doch nur einen Holzherd. Das kennt er zwar von uns daheim, wenn wieder mal der Strom ausfällt oder er einheizen muss, damit wir warmes Wasser haben. Aber freiwillig? Pöcking wird noch das Dorf der Köche! Fragt sich nur, wer das alles essen soll.
«In Ordnung.» Wenn ich höre, dass mein Sohn jemandem hilft und damit in meine Fußstapfen tritt, kann ich nicht nein sagen. «Aber später gehst du gleich auf der Stelle heim, machst Hausaufgaben und lernst.»
«Wieso, ist die Emma krank?»
Ich seufze. «Du kannst doch nicht immer deine kleine Schwester fragen! Du musst doch auch mal von selber lernen.»
«Also wirklich, Papa. Das meiste, was die Lehrer verzapfen, ist sowieso überflüssig, und durch die Emma sortiere ich aus, was ich überhaupt für später brauche.»
Argumentieren kann mein Sohn. «Die Emma hat Windpocken und fährt mit uns mit», sage ich. «Dann schau bitte mal nach der Zwiebi, die könnte heute lammen. Sie macht das zwar nicht zum ersten Mal, aber gib trotzdem Obacht, ja?» Mir ist immer noch unwohl, dass ich alles so liegen und stehen lasse, oder stehen und liegen, aber nun kann ich nicht mehr zurück. «Auf dem Fensterbrett ist ein Nest aus Fidls Heizdecke mit den Bruteiern, die Augsburger sind tot, die Seitenklappe vom Hühnerstall war heute Nacht offen.»
«Oje, armer Papa.» Emil umarmt mich. Ich muss mich beherrschen, nicht loszuheulen, presse meine Lippen aufeinander und reib mir über die Augen.
«Er hat meine Handynummer für alle Fälle.» Der Bene tätschelt mir die Schultern und tippt auf seine Brusttasche, wo anstatt eines Taschentuchs das in eine karierte Schutzhülle gepresste Ei-Phone rausspitzt. Ich gebe mich geschlagen.
Erster Halt ist das Starnberger Kreiskrankenhaus. Als ich mich durchfrage, sagen sie, Fidelius Sattler liege nicht in der Intensiv-, sondern auf der Privatstation. Bisher habe ich geglaubt, der Fidl ist nicht mal krankenversichert, aber vielleicht wirft die neue Wolkenstimmungs-Kollektion doch mehr ab, als ich gedacht habe, oder in den Ortskrankenkassenkabinen war alles überfüllt. Verblüfft betrete ich dem Fidl sein Einzelzimmer. Ledersessel, Balkon, Borte an der Wand, HD -Fernseher mit Receiver. Kein Kabelsalat zu hässlichen Krankenhausapparaturen. Wahrscheinlich geht das alles auch schon per Funk und ist hinter den chromglänzenden Schränken verborgen. Fehlt nur noch Stuck an den Wänden, Weinbrand und die Zigarre, dann wäre das hier ein Clubraum vom Feinsten. Aus dem Fidl ist nichts rauszukriegen, der schläft, von Medikamenten eingelullt, erklärt mir die Schwester. Am Herzinfarkt sei er nur knapp vorbeigeschrammt, sie müssten ihn für weitere Tests noch ein paar Tage hierbehalten.
Fragen, ob sie sich mit dem Zimmer geirrt haben, will ich nicht, sonst bemerkt sie es noch und bettet den Fidl um. Für einen Moment glaube ich, er lurt unter den Wimpern raus und tut nur so, als ob er schläft.
«Hello Mister», flüstere ich dem englischen Koch zu, als die Schwester
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