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Hendlmord: Ein Starnberger-See-Krimi (German Edition)

Hendlmord: Ein Starnberger-See-Krimi (German Edition)

Titel: Hendlmord: Ein Starnberger-See-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ida Ding
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Die Straße an der größten Kreuzung Pöckings zu überqueren, das dauert. Drei Autos von rechts und links drängeln, und die Fahrer erklären sich gegenseitig per Handzeichen wer wann wo wie Vorfahrt hat. Ich spiel den Schupo und winke sie nach dem Alphabet durch.
     
    Wo der Altenrat mit Strickzeug und Kochschürze tagt und gestern noch der gelbe Rauch von den verbrannten Torten aufgestiegen ist, herrscht heute Gedränge. Die Parkbuchten sind mit Fahrzeugen regelrecht zugepflastert. Warum ist mir das vorhin nicht aufgefallen? Sind die alle gerade erst hergefahren? Wenn wir eine Zeitung hätten, dann wüsste ich, was dort heute los ist. Doch die Sophie mag kein Abo, ihr genügen die Meldungen über den Polizeisender, sie braucht nicht nach Feierabend zusätzlich Mord und Totschlag. Und ich würde nicht hinterherkommen mit dem Lesen, das dauert seine Zeit, bis du so eine Wochenendausgabe durchhast, und dann steht auch noch so viel aus den anderen Ortschaften drin. Obendrein hab ich mit unserem Dorf genug zu tun, wenn ich mich auch noch außerhalb um jeden Hilferuf kümmern müsste, käme ich zu überhaupt nichts mehr. Mir reicht einmal in der Woche das Käseblatt, das die Schüler einwerfen, falls sie Bock haben, bis zu unserem Hof am Waldrand rauszulatschen.

Neugierig, woher dieser Zulauf kommt, mische ich mich unter die Autofahrer und betrete das Alte Rathaus. Im zugigen Gang sitzen Leute, dicht an dicht auf Bierbänken. Auf den ersten Blick erinnert es an eine Wärmestube, und es riecht auch so, Nikotin, Parfümprobiersets aller Art. Manche schminken sich noch, zupfen ein Haar aus der Nase oder wechseln die Schuhe, hochhackige Knöchelknacker gegen Jesuslatschen. Ein Kerl streift sich Einmalhandschuhe über. Proben die etwa für ein Theaterstück?
    «He, wir waren zuerst da.» Eine stämmige Kurzhaarige im weißen Kittel versucht mich aufzuhalten, als ich die Türklinke zum ehemaligen Sitzungssaal drücke.
    «Sind Sie Ärztin?», frage ich.
    «Oh, das werde ich oft gefragt.» Sie errötet bis zu den Ohren, an denen lange Federn baumeln. «Ich geb’s zu, ich hab mal reingeschnuppert in so ein Medizinstudium, aber an einem herumschnippeln, das war dann doch nicht so ganz das, was ich …» Sie stockt. «Wieso fragen Sie, gehören Sie zur Jury?»
    «Was für eine Jury?»
    «Na, die da drin.» Also doch Schauspieler, denke ich.
    Auf der Tür pappt ein Zettel.

    Bevor ich noch fragen kann, was da genau los ist, wird die Tür von innen aufgerissen.
    «Muck, wie nett, dass du auch dabei bist.» Der Melcher grüßt mich.
    «Dabei, wobei?», frage ich.
    «Komm, wirst schon sehen.» Er zwinkert mir zu. «Du kannst dich zu uns setzen.» Die übrigen Bierbänkler recken die Hälse. Ein Mann mit Cowboystiefeln schließt seinen Leuchtmarker und klappt den Schnellhefter zu. Manche springen auf und versuchen, in den Sitzungssaal zu spähen.
    «Sitzen bleiben, es geht gleich los.» Der Melcher beschwichtigt sie, schließt die Tür hinter uns und drückt mich auf einen Hocker, der einsam in einer Ecke steht. Wo sind die Möbel hin?
    «Magst du ein Helles?» Er hält mir eine Flasche vor die Nase. Ich schüttle den Kopf.
    «Der trinkt doch kein Bier», hallt es aus dem anderen Ende des leergeräumten Saales. Der Rossi sitzt mit den Pflaums, den Textilstubenzwillingen, der Kirchbach Gretl und ein paar anderen von
Gemeinsam Dabeisein
an einer langen Reihe aneinandergestellter Tische an der gegenüberliegenden Wand.
    «Ach, hör auf, Muck, du bist doch ein Mann, oder?» Der Melcher kappt die Flasche und sagt den üblichen Spruch, ein Bayer ohne Bier, das ist wie eine Suppe ohne Wasser oder ein Vogelkäfig ohne Vogel.
    «Ich trink nie Alkohol», erkläre ich.
    «Wirklich?» Darauf muss der Melcher einen kräftigen Schluck aus der für mich gedachten Flasche nehmen. Er wischt sich über die Lippen. «Überhaupt gar keinen? Auch kein Weißbier oder eine Russenmaß? Ist das dein Ernst? Aber ein Radler magst du doch, wenn wir ein Zitronenlimo dahaben, ja?»
    Ich schüttle den Kopf.
    «Einen Schnaps trinkt er schon», ruft der Pflaum Herbert.
    «Da ist doch auch fast kein Alkohol drin», rufe ich zurück.
    Der Melcher runzelt die Brauen und kratzt sich an der Stirn. Dann treibt es ihm die Mundwinkel zu einem Lachen auseinander. «Du bist dein Geld wert, Muck, ehrlich.» Er schlägt mir gegen die Brust, dass mir kurz die Luft wegbleibt. «Einen Williamchrist gibt’s aber erst, wenn wir den Richtigen haben.»
    «Den Richtigen wofür?»,

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