Henker-Beichte
Scheibe des U-Bahn-Fensters gesehen hatte, so passierte es auch hier. Das Gesicht blieb nicht mehr das gleiche. Ein anderes schob sich darüber, ein älteres und ein bekanntes.
Es gehörte dem Medizinmann, das wußte Cresson, denn er war schließlich der Scharfrichter gewesen. Vater und Sohn wurden zu einer Person. Ein Toter und ein Lebender schoben sich zusammen, und etwas Kaltes wehte wie ein Eishauch aus dem Jenseits durch den Wagen.
Jemand sprach.
Es war nicht Cresson, aber auch nicht Okuba. Eine neue Stimme war entstanden, und auch sie hörte sich an, als wäre sie aus zwei Stimmen zusammengesetzt worden.
Vater und Sohn eben…
»Ich habe die alten Rituale erlernt und übernommen. Ich wußte, wie man den Tod kontaktiert. Der Weg ins andere Reich, in das Reich der Götter und Geister wurde mir freigemacht, und ich habe den Geist meines Vaters zurückholen können, der keine Ruhe finden konnte. Er wird erst seinen Frieden erhalten, wenn der nicht mehr lebt, der ihn getötet hat. Und das wird bald der Fall sein.«
Cresson konnte keine Antwort geben. Er kam sich vor wie jemand, der aus seiner Welt hervorgerissen worden war und irgendwo zwischen den Zeiten schwebte.
Wasser floß aus seinen Augen, Schleim aus der Nase, dann spürte er einen Schlag an der Stirn. Mit dem Hinterkopf prallte er gegen die Seitenscheibe. Verschwunden waren die Kälte, die Stimme, das fremde Gesicht. Er schaute wieder in die Züge des Sohnes.
»Du kannst jetzt fahren!« sagte Okuba. »Fahre dorthin, wo man dich erwartet und selbst ein Mann wie du noch Freunde hat. Aber sage ihnen, daß du den nächsten Morgen nicht erleben wirst. Daß wir immer auf dich achtgeben werden. Sage ihnen auch, daß sie dem Beil nicht entkommen können.« Er lachte und verließ den Wagen.
Auguste Cresson kam nur langsam zu sich. Er wischte mit einem Taschentuch sein Gesicht trocken, konnte wieder normal sehen und starrte durch die Scheibe.
Dort wartete Drack. Seine Maschinenpistole war verschwunden. Er hatte sie mit dem Henkersbeil vertauscht.
Nahezu locker hielt er es in der rechten Hand und ließ es wie ein Pendel leicht über den Boden schwingen. Sein flaches Gesicht sah aus wie eine Maske, und die Haut wirkte so, als wäre sie mit alter Asche bestäubt worden.
Sein Chef stand bereits am Chrysler. Beide Männer warteten darauf, daß Cresson startete.
Das wollte er auch, nur mußte er zuvor den Platz wechseln. Er zitterte noch immer und fragte sich, ob er seelisch und körperlich überhaupt in der Lage war, ein Fahrzeug zu lenken, doch das war jetzt zweitrangig. Er mußte es einfach versuchen, wollte er noch einige Stunden am Leben bleiben.
Als er den Motor gestartet hatte, trat Drack locker zur Seite und gab den Weg frei. Er konnte es aber nicht lassen, das Beil einzusetzen. Die Klinge schrammte über die rechte Seite hinweg und hinterließ dort eine weitere Macke.
Schweigend und zitternd fuhr Auguste Cresson weiter. Er passierte auch den pechschwarzen Chrysler, der ihm vorkam wie ein rollender Sarg.
Okuba war wegen der dunkeln Scheiben nicht zu sehen. Er lauerte wie ein Raubtier im Fond.
Dann lagen die beiden hinter ihm. Vor ihm fiel der Blick auf die blühende Landschaft, die dem einsamen Fahrer vorkam wie ein gewaltiger Friedhof…
Ich kam wieder zu mir.
Irgendwie ging es ja immer weiter. Zwar hatte ich keinen Schädel aus Eisen, aber dieser Drack hatte nicht zu fest zugeschlagen, und auf der anderen Seite mußte es mir auch gelungen sein, den Kopf im letzten Augenblick noch zu drehen, so daß der Schlag teilweise an meinem Schädel abgerutscht war.
Wie dem auch sei, man hatte mich ausgeschaltet, und ich lag bäuchlings und mit dem Gesicht im Dreck.
Luft hatte ich trotzdem bekommen, denn ich hatte mich mühsam auf den Rücken gewälzt. Nun starrte ich in die blendende Sonne.
Es war zum Heulen. Außerdem war ich mir meiner Sache zu sicher gewesen. Ich hätte schneller und besser reagieren müssen. Statt dessen lag ich neben der Straße auf dem Feld und wußte nicht, ob ich mich gleich übergeben mußte. Verdammt übel war mir jedenfalls. Der Lauf der Waffe hatte sich tief in meinen Magen gebohrt. Später war dann noch der Kopftreffer hinzugekommen.
Mein Schädel brummte, mein Magen revoltierte, und ich übergab mich…
Danach ging es mir ein wenig besser.
Über dem rechten Ohr war die Haut aufgerissen. Die Waffe hatte dort eine lange Schramme hinterlassen, aus der noch immer Blut quoll.
Mein Kreislauf war nicht okay. Es war einfach zu
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