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Henkerin

Titel: Henkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Martin
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schienen aus den Höhlen zu springen, jeder Muskel spannte sich an, sein Schmerzensschrei aber blieb im Knebel stecken.
    Inzwischen war der dritte Richter, Enders von den Fildern, in den Keller gekommen. Er war ein breitschultriger grauhaariger Mann mit gütigem Gesicht. Raimund legte die Zange zurück in das Kohlebecken und begutachtete die Verletzung. Sehr schmerzhaft, aber wenn der Kerl tatsächlich überleben sollte, was einem Wunder gleichkäme, konnte er den Arm weiterhin gebrauchen. Mit einem Eisenhaken daran konnte er auf dem Feld einfache Arbeiten ausführen oder sein kärgliches Brot als Träger verdienen.
    Schweiß troff vom Gesicht des Angeklagten, zwischen seinen Beinen tropfte Urin auf den Boden. Raimund wusste, dass er keinen zweiten Versuch brauchte. Julius war so weit.
    Der Büttel nahm den Knebel ab, ein tierisches Brüllen schoss aus Julius’ Kehle, dann ein Schluchzen. Ungeduldig warteten Richter und Henker, bis Julius endlich sprach.
    »Ja, ich gebe es zu«, jammerte er. »Ich habe bei der Mühle einen Sack Mehl genommen, aber nur, weil ich doch nichts zu essen hatte.«
    Die Feder des Schreibers kratzte eifrig über das Pergament. Raimund löste den rechten, unversehrten Arm des Diebes. Der Schreiber hielt ihm die Feder hin, und Julius machte seine drei Kreuze. Die Spannung wich, der Fall war abgeschlossen. Richter Langkoop verkündete das Urteil, das er sogleich unterzeichnete, ebenso wie von den Fildern und Sempach.
    Julius brach in Tränen aus. »Warum schlagt Ihr mich nicht gleich tot? Was soll ich denn ohne die Hand machen? Und dann noch draußen vor den Toren der Stadt, da gibt es nicht einmal Almosen für einen Krüppel wie mich!«
    Der Büttel stopfte dem Dieb das Maul mit dem Knebel. Raimund band seine linke Hand auf den Block. Es war ein mildes Urteil, es hätte auch die rechte sein können. Er schlang Julius ein Band um den Oberarm, um zu verhindern, dass der Verurteilte zu viel Blut verlor. Dann wählte er die schwere Knochenaxt, mit der er ein Handgelenk so durchtrennen konnte, dass Elle und Speiche nicht verletzt wurden.
    Kurz nahm er Maß, dann schlug er zu. Schon lag die Hand des Diebs auf dem Block. Es sah aus, als gehöre sie immer noch zum Arm, aber das hervorquellende Blut sang ein anderes Lied.
    Julius zuckte kurz, dann sank er in sich zusammen.
    »Bindet ihn los, und legt ihn auf den Tisch«, befahl Raimund, und die Büttel gehorchten sofort. Die drei Richter und Ratsherren nickten dem Henker zu und verließen den Keller. Ihr Teil der Arbeit war getan, der Rest scherte sie nicht mehr.
    Raimund schob Julius einen Schemel unter die Beine und öffnete ihm den Mund. Der Verurteilte hatte sich nicht erbrochen. Im Kohlebecken erhitzte Raimund sein Messer bis zur Rotglut und verschloss damit die Adern, die er fin den konnte. Mit drei Schnitten löste er die Haut, zog sie über den Stumpf und band sie mit dem Stück Schweinedarm zusammen, nicht ohne vorher Kräuterpaste in die Wunde geschmiert zu haben. Mit den sauberen Leinenstreifen verband er den Stumpf, dann löste er den Riemen, den er um den Oberarm gelegt hatte. Der Verband blutete nicht durch. Gut. Julius war versorgt und konnte jetzt von den Bütteln vor den Toren der Stadt ausgesetzt werden.
    Nachdem die Männer den wimmernden Kerl aus dem Raum gezerrt hatten, löschte Raimund die Glut und säuberte den Keller. Er freute sich auf ein paar Humpen Bier im Gasthaus »Zum Eber«. Seinen Lohn würde er am Ende des Monats erhalten, wenn er seine Rechnung einreichte. Fünf Groschen. Gutes Geld für gute Arbeit. Julius hatte gebüßt, die Sache hatte keine Stunde gedauert. Die Hand des Übeltäters hatte er einem der Büttel versprochen, der ihm dafür einen Gefallen schuldig sein würde. Sie sollte den Mann vor Dieben schützen.
    Bis zum »Eber« waren es keine hundert Schritte. Inzwischen war es fast dunkel, die Stadttore waren längst geschlossen. Raimund drückte die Tür auf, und schon hüllte ihn der Geruch nach fettem Braten, Schweiß und Geilheit ein. Er setzte sich in seine Ecke, an seinen Tisch, an den sich niemand sonst setzen würde. Sofort stand ein würziges Bier vor ihm.
    Mägde liefen hin und her, räumten leere Krüge ab, füllten nach, brachten Speisen und ließen sich begrapschen. Raimund nahm sich vor, in den nächsten Tagen Applonia zu besuchen, eine der wenigen Huren, die sich nichts daraus machten, von einem Henker bestiegen zu werden. Raimund hätte sich die Dienste aller Huren erpressen können,

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