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Henningstadt

Henningstadt

Titel: Henningstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Brühl
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von ebenfalls beiderseitigem Schulterklopfen begleitet wird. Dieses Schulterklopfen, das sein Vater veranstaltet, anstatt ihn zu küssen, ist ihm irgendwann zu väterlich vorgekommen, ein bisschen von oben herab. Seitdem klopft er zurück, und so ist es ganz okay.
    «Na, wie war ’ s in Frankreich?», erkundigt sich Hen ning, und Steffen merkt sich schon mal das mögliche Ge sprächsthema mit Hennings Eltern. Der Vater blickt fragend in Steffens Richtung und sagt Guten Tag, wäh rend die Mama verwundert: «Du hast ja gar keine Hose an!», hören lässt. Henning widerspricht ihr und verweist auf seine Unterhose. Das war nur halb geschickt, denn die Mutter kennt die Unterhose nicht. «Schick!», sagt sie, aber es klingt so, als sollten Unterhosen nicht schick sein.
    Henning kommt ins Trudeln, weil er zugleich seine Mut ter und seinen Vater beachten muss, die unterschied liche Sachen machen. Der Vater hat gerade Steffen be grüßt. Steffen steht auf und schüttelt Herrn Staiger die Hand. «Pohl», sagt er dabei, während Henning gleich zei tig «Das ist Steffen» sagt. Dann sagt er lachend: «Ach ja, Pohl. — Wir warten nur, dass der Kaffee durchgelaufen ist. Steffen ist ein Freund von mir. Wir haben uns vor ein paar Wochen kennen gelernt.» Die paar Wochen zielen da rauf, dass man in der Gegenwart von jemandem, den man seit ein paar Wochen kennt, viel eher in der Unter hose rumlaufen wird, als wenn man sich zum ersten Mal trifft. «Angenehm, angenehm!», sagt Hennings Vater Herr Staiger. «Das ist meine Frau», fügt er unsinnigerweise hinzu und verschwindet im Flur, um die Koffer ins Schlaf zimmer zu tragen, wo sie ausgepackt werden sollen. «Ihr könnt ruhig hier bleiben», sagt Hennings Mut ter Rosi. «Wir wollen euch nicht vertreiben!» Steffen fin det es nett von Frau Staiger, dass sie nicht nur sich — viel leicht — gestört fühlt, sondern auch ihrem Sohn einräumt, dass er von ihnen gestört wird.
    «Guten Tag», lacht Rosi auf den Hinweis, dass sie sei ne Frau ist, in Steffens Richtung. «Wie war ihr Name?»
    «Pohl», sagt Steffen noch mal.
    «Sind Sie aus Henningstadt?», fragt Hennings Vater, der gerade an der offenen Tür vorbeiläuft.
    «Nein», sagt Steffen zu Frau Staiger, die das auch zu interessieren scheint.
    «Meine Cousine Friedlind hat einen Pohl geheiratet, mit denen haben Sie aber nichts zu tun?» «Leider nein», sagt Steffen und bemüht sich, nicht zu kichern. Henning verdreht die Augen.
    «Na ja, die Pohls kommen eigentlich auch aus dem Rheinischen», beharrt seine Mutter. «Wie heißt denn der Mann?», steigt Steffen in die Unterhaltung mit Frau Staiger ein. Aus dem Rheinischen hat er nämlich Ver wandte, aber die heißen nicht mehr Pohl, sondern Weiler.
    Henning holt sich eine Hose aus dem Zimmer und kommt wieder. «Und, sind wir schon verwandt?», erkun digt er sich.
    «Bis jetzt noch nicht», informiert ihn Steffen über den Stand der Dinge.
    «Ja, ja, Henning regt sich immer auf, wenn wir von der Verwandtschaft sprechen», bekennt die Mutter, lacht da bei und holt Kaffeetassen aus dem Schrank.
    «Krieg ich auch eine Tasse ab?», erkundigt sie sich. «Ja, kla r» , sagt Henning, der seine Mutter nun sehr wohlerzo gen findet. Es freut ihn, dass sie ihn wie einen Erwach senen behandelt, wenn Steffen dabei ist. Schließlich ist er auch schon siebzehn. Henning räumt die Sachen auf ein Tablett, damit Steffen nichts selber tragen muss. Er ist ein Freund von Zeichen. Seiner Mutter schüttet er Milch in die Tasse, bevor er das Kännchen aufs Tablett stellt. Er weiß, wie viel Milch sie nimmt. Dann verziehen sie sich in Hennings Zimmer. Steffen kommt sich vor, als gingen sie in einen Seitenflügel des Regierungspalastes, um eine Ver schwörung auszuhecken.
    «Irgendwie hab ich gedacht, deine Eltern wären älter!», sagt Steffen, als die Tür hinter ihnen zu ist. Er merkt, wie Henning aufatmet, aus dem Gesichtsfeld der Eltern ver schwun den zu sein. Steffen teilt Henning mit, dass er sei ne Eltern in Ordnung findet. Henning freut sich darüber. «Ja, eigentlich sind sie total in Ordnung. — Sie sind halt nur meine Eltern», fügt er erklärend hinzu. Steffen er tappt sich dabei, stolz auf seinen Kleinen zu sein, dass er so kluge Sachen sagen kann. «Meinst du, das war ko misch mit der Unterhose?», erkundigt sich Henning.
    «Na ja, ist doch egal. Ist ja nichts dabei.» Steffen erin nert sich an die letzte Zeit in seinem Leben, in der er Ge heim nisse haben musste und sein Bauch krallt sich

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