Henry haut ab: Roman (German Edition)
nicht, dass die das Ding offen gelassen haben.«
»Das war bestimmt Absicht, damit die Leute sich noch von ihm verabschieden können. Du weißt doch, wie im Fernsehen. Mann, ist der hässlich. Und guck mal, er hat ein Holzbein, oder?«
»Ich wette, das ist der alte Onkel, von dem Mummy uns in Ipford erzählt hat«, sagte Josephine etwas enttäuscht. Sie hatte gehofft, es wäre wirklich jemand, der auf dem Anwesen erschossen worden war. Oder wenigstens jemand, der schon bereits verweste.
»Er ist Colonel in der Army.«
»War. Ich glaub nicht, dass der noch kämpft.«
»Mit dem Holzbein kann ich mir das auch nicht vorstellen«, bemerkte Samantha. »Und außerdem ist er zu alt.«
In diesem Augenblick kam Emmeline aus ihrem Versteck an der Hecke geschossen. »Schnell, macht den Deckel zu! Da kommen zwei Leute, die streiten sich, dass die Fetzen fliegen.«
Kurz darauf war der Sarg wieder geschlossen, und die Vier lagen gut versteckt hinter der Kapelle auf dem Boden, wo sie nicht gesehen werden, aber alles hören konnten. Der Mann, der Sir George sein musste, war offensichtlich sehr schlecht gelaunt.
»Er war kein Gadsley – wie oft muss ich dir das noch sagen? Ich veranstalte keine Beerdigungszeremonie für jemanden, der nicht mit der Familie verwandt ist. Und es ist mir egal, ob du den Vikar aus dem Dorf dazurufen willst, weil ich nicht zulassen werde, dass der alte Trottel hier begraben wird, und das ist mein letztes Wort. Du hättest ihn einäschern lassen sollen, wie ich es dir gesagt habe. Ja, ich hätte nicht übel Lust, den verfluchten Kasten gleich hier und jetzt abzufackeln. Nur dass dann seine miese Asche doch wieder auf dem Anwesen wäre.«
»Mach dich doch nicht lächerlich! Irgendjemand würde den Rauch sehen und sich fragen, was hier vorgeht. Ich verstehe nicht, warum du so grässlich bist, George. Er ist mein Onkel und ich bin deine Frau, also gehört er zur Familie. Demnächst erzählst du mir noch, dass Edward auch nicht zur Familie gehört.«
»Eddie? Guter Gott, nein, natürlich nicht!«, stieß Sir George zornig hervor. »Wenn der zu meiner Familie gehören würde, hätte ich ihn schon vor Jahren kastrieren lassen, damit er auf keinen Fall seine nutzlosen Gene weitergeben kann. Der wird auch nicht hier begraben werden, wenn und falls wir das Glück haben, ihn loszuwerden.
Jetzt hör mir mal zu, Clarissa. Du tust jetzt, was jeder vernünftige Mensch tun würde, und arrangierst etwas mit dem Vikar im Dorf. Entweder das, oder du lässt den alten Sack einäschern. Das wolltest du doch immer tun, wenn es so weit wäre.«
»Oh, du bist so gemein, George. Ich weiß, das habe ich gesagt, aber jetzt denke ich anders darüber.«
»Du hast doch gar nicht genug Hirn zum Denken«, fauchte Sir George. »Kapier endlich. Ich werde den Friedhof nicht entweihen lassen, indem ich irgendwen darauf begraben lasse, der nicht zur Familie gehört. Und das ist mein letztes Wort dazu.«
Als sie um die Kapelle herumlugten, sahen die Vier, wie er davonstapfte.
Lady Clarissa lehnte sich an den Sarg und weinte fünf Minuten lang vernehmlich, dann folgt sie ihm. Als beide fort waren, kamen die Mädchen aus ihren Verstecken hervor.
»Lady Clarissa hat geweint«, sagte Emmeline. »Und diesem schrecklichen Kerl war das ganz egal.«
»Na ja, sie ist ja auch schrecklich«, sagte Josephine. »Ich hab gehört, wie dieses fette Weibsstück Mummy erzählt hat, sie hätte Sex mit Dad gehabt. Jede Nacht«, schmückte sie die Geschichte etwas aus, um sie schlüpfriger zu machen. »Warum erteilen wir den beiden nicht eine Lektion?«
»Wie denn?«
»Lasst uns den Sarg klauen, dann denkt er, sie hat ihn einfach trotzdem hier auf dem Friedhof begraben, und sie denkt, er hätte ihn verbrannt!«
»In Ordnung, aber wo verstecken wir ihn?«
»Wir könnten ihn vielleicht vergraben. Dann finden ihn beide nicht, und es geht richtig rund.«
»Aber wir schaffen’s doch niemals, ein Loch zu graben, das groß genug ist, dass er hineinpasst«, wandte Emmeline ein. »Ich meine, dieser Sarg ist ein Riesending.«
»Wir könnten ja nur die Leiche rausnehmen, dann sieht’s aus, als sei sie gestohlen worden.«
»Wer will denn einen Toten anfassen? Ich jedenfalls nicht.«
Samantha meldete sich als Nächste zu Wort.
»Sei doch nicht so ein blöder Feigling. Wir brauchen doch nur ein paar Gummihandschuhe oder so was. Dann müssten wir die Leiche nicht wirklich anfassen, und es gibt auch keine Fingerabdrücke, falls irgendwer ihn
Weitere Kostenlose Bücher